Bomben auf Dillingen Eigentlich sollte Major Woods die Lok treffen

Dillingen · Das MG eines einzigen amerikanischen Jagdfliegers brachte Dillingen schwerste Zerstörungen bei. Am Dienstag jährt sich die Katastrophe zum 75. Mal.

 Das Alte Gymnasium in Dillingen wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, einige Schäden stammen von der Explosion im August 1944.

Das Alte Gymnasium in Dillingen wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, einige Schäden stammen von der Explosion im August 1944.

Foto: Paul Desfossez, Repro Stadt Dillingen

Der Sonntagmittag des 27. August 1944 brachte Tod und Verwüstung für Dillingen. Ausgelöst wurde die Katastrophe vor 75 Jahren beim Beschuss eines Munitionszuges durch einen amerikanischen Jagdbomber. Die nachfolgende Darstellung basiert auf Recherchen der Dillinger Geschichtswerkstatt.

Gegen 10.58 Uhr starteten 47 Jagdbomber vom Typ P-47 Thunderbolt der 356. Jagdgruppe auf dem südostenglischen Fliegerhorst Martlesham Heath. Ihr Auftrag: Bekämpfung und Bombardierung von Eisenbahnzielen im Raum Straßburg und Saarbrücken. Gegen 11.30 Uhr standen auf dem Dillinger Bahnhof Personenzüge für die Fahrt ins Prims- und Niedtal bereit. Dazu ein Munitionszug mit zwei Güterwaggons, im ersten Panzergranaten, im anderen Artilleriemunition. Wenig später saßen die Dillinger arglos am Mittagstisch.

Um 12.20 Uhr heulten die Sirenen auf. Hektisch suchten die Menschen Bunker auf, Unterführungen der Bahnsteige oder Splittergräben vor dem Bahnhof. Eine Zeitzeugin erinnerte sich an den Alarm. Kaum waren sie im Bunker, „da fielen auch schon die Bomben“. Eine Stichflamme sei zur Schießscharte hereingekommen und dichter Staub. „Alles schrie und weinte.“ Als die Jagdbomber schon fast über Dillingen hinweg waren, kehrte eine der Maschinen zurück. „Ich hatte gerade einen Hügel überflogen, als ich bemerkte, dass ein Zug im Bahnhof angehalten hatte“, stellte Major James N. Wood später dar, Staffelführer der 361. Jagdstaffel. An diesem Tag war der Bahnhof selbst nur ein Gelegenheitsziel. Primär ging es darum, Lokomotiven unbrauchbar zu machen. Doch Wood traf mit seinen Maschinengewehren auch die Munitionswaggons.

„Plötzlich schien die ganze Welt zu explodieren“, erinnerte er sich. Eine Stichflamme wurde noch im 40 Kilometer entfernten Sötern bei Otzenhausen beobachtet. Danach entzündeten sich über fast zwei Stunden hinweg die Ladungen der Waggons. Druckwellen deckten Häuser ab und zertrümmerten Fensterscheiben im großen Umfeld. Kartuschen flogen durch die Luft, aber auch Gleise und zentnerschwere Stahlteile.

Das Oberteil einer Lokomotive wurde vom Fahrgestell abgehoben und in den damaligen Volksgarten geschleudert, heute Bereich der Post.

Eine Schiene flog mehr als einen Kilometer weit in einen Garten in der Dimmersteinstraße und blieb drei Meter tief im Boden stecken. Eisenbahnschienen landeten sogar an der rund zwei Kilometer entfernten Pachtener Fähre. Ein langes Gleisstück durchschlug das Dach der Heilig Sakramentkirche. In der Pfarrkirche St. Maximin in Pachten hob eine Druckwelle das Gewölbe im Hauptschiff an, im rechten Seitenschiff und über der Orgel. Deckenteile stürzten herab.

Das alte Rathaus und das Bahnhofsgebäude waren trotz meterdicker Wände schwer beschädigt. Der Dienst darin musste aufgegeben oder verlegt werden. Total zerstört wurden die Güterabfertigung und Nebengebäude der Bahnmeisterei. Schwer beschädigt waren auch Gleisanlagen, Postamt, Finanzamt, Gewerbeschule, Johanniskirche und die Pachtener Volksschule. Die Entwarnung erfolgte um 13.49 Uhr.

In dem Chaos aus Zerstörungen und Bränden war kein Überblick über die Opfer möglich. Manche waren von Druckwellen gegen Wände geschleudert worden, andere von Eisenbahnschwellen erschlagen oder von Explosionen zerrissen. Etliche Personen starben Tage später in Krankenhäusern. Die Rede ist von Hunderten von Verletzten.

Ihre Helfer und Retter arbeiteten unter Lebensgefahr. Denn noch lange nach den Explosionen stürzten Wände, Mauern und ganze Gebäude ein.

Tragen zum Transport der Verletzten reichten bald nicht mehr aus, zur Not wurden dafür Türen ausgehängt. Der Vorplatz des Dillinger Krankenhauses füllte sich mit Verwundeten. Aber nur die schwersten Fälle wurden noch im Gebäude behandelt.

Zahlreiche Patienten mussten in Einrichtungen umliegender Orte transportiert werden, nach Saarlouis, Wallerfangen und Lebach. Die Zerstörungen hatten in Dillingen 190 Obdachlose zur Folge, die in der Umgebung oder bei Verwandten unterkamen. Dazu waren viele Häuser ohne Kochstellen. Etwa 6000 Menschen mussten nun täglich mit warmer Verpflegung versorgt werden. Für abgedeckte Dächer stellte die Dillinger Hütte kostenlos dünne Bleche zur Verfügung.

Später begannen die zu rosten. Das führte zum Beinamen Dillingens als „die goldene Stadt“. Knapp dreieinhalb Monate darauf, Anfang Dezember 1944, begannen die schweren Kämpfe zwischen US-Armee und Wehrmacht um Pachten und Dillingen.

 Er war vor 75 Jahren der Pilot des Bombers über Dillingen: James Wood mit seiner Maschine.

Er war vor 75 Jahren der Pilot des Bombers über Dillingen: James Wood mit seiner Maschine.

Foto: Repro: STadt Dillingen

Danach war der Ort, der erst 1949 Stadt wurde, größtenteils zerstört.

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