„Verstrickung in NS-Verbrechen ist nicht anzunehmen“

Dillingen · Die Debatte um die NS-Vergangenheit des langjährigen Saar-Ministerpräsidenten Franz Josef Röder (CDU/1959-1979) gewinnt an Fahrt. Der Saarbrücker Stadtarchiv-Chef Hans-Christian Herrmann sagte, es lägen keine Indizien für eine Verstrickung Röders in NS-Verbrechen vor.

. Mit einer kritischen Würdigung von Leben und Werk des von 1959 bis 1979 regierenden Saar-Ministerpräsidenten Franz Josef Röder (CDU ) hat sich der Chef des Saarbrücker Stadtarchivs, Hans-Christian Herrmann, in die aktuelle Debatte um die NS-Vergangenheit saarländischer Nachkriegspolitiker eingeschaltet. Der Landtag hatte in der vergangenen Woche einmütig beschlossen, dieses dunkelbraune Kapitel der Saar-Geschichte aufarbeiten zu lassen.

Vor der mit Spannung erwarteten Vorstellung der Röder-Biografie von Professor Heinrich Küppers am kommenden Dienstag um 18.30 Uhr im Haus der Union-Stiftung in Saarbrücken gab Herrmann bei einer Veranstaltung des Historischen Vereins für die Saargegend und der Dillinger Stadtbibliothek am Dienstagabend in der Dillinger Stadthalle vor gut 20 zumeist älteren Zuhörern seine Einschätzung ab: "Eine Verstrickung Röders in NS-Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sind aufgrund seiner Aufgaben in den Niederlanden nicht anzunehmen", erklärte Herrmann. Röder (NSDAP-Eintritt 1933) war als Lehrer 1937 an die Deutsche Schule in Den Haag entsandt worden und nach dem deutschen Überfall und der Besetzung der Niederlande auch für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) aktiv. Seine Aufgabe war es, niederländische Studenten auszuwählen, die an einer Universität im Deutschen Reich studieren wollten. Bis Ende 1944 lebte Röder mit seiner Familie in Den Haag, ehe er vor den vorrückenden Truppen der Alliierten nach Niedersachsen floh. "Es liegen weder Indizien noch Hinweise oder Verdachtsmomente vor", sagte Herrmann im Hinblick auf mögliche Verstrickungen Röders mit der NS-Terrorherrschaft in den Niederlanden. Während Röder dort tätig war, wurden mehr als 100 000 Juden in die Vernichtungslager deportiert, darunter Anne Frank aus Frankfurt.

Herrmann sagte, dass er Röders Verhalten während der NS-Zeit nicht als Opportunismus bezeichnen würde, wie es der Zeithistoriker von der Saar-Uni, Professor Dietmar Hüser, in einem SZ-Interview getan hatte. "Ich glaube, dass das, was wir wissen, nicht ausreicht, um dieses doch sehr negative Urteil fällen zu können", betonte Herrmann. Er habe in niederländischen Archiven zu Röder geforscht; es gebe nichts Belastendes dort. Auch im Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde sei nichts zu einer besonders aktiven Rolle in der NS-Zeit oder einer Beteiligung an NS-Verbrechen zu finden.

Herrmann würdigte es als historische Leistung Röders, die widerstreitenden katholischen Parteien CVP und CDU harmonisiert zu haben und ein politisch höchst zerstrittenes Nachkriegssaarland geeint zu haben. "Das ist sein herausragendes und bleibendes Verdienst", sagte Herrmann.

Der Historiker bestätigte in der Fragerunde die These eines Zuhörers, dass der Machtpolitiker aus dem anderen Lager, Oskar Lafontaine (Ex-SPD/jetzt Linke), ein gutes Verhältnis zu Röder gepflegt habe. Die Umbenennung der Saarbrücker Hindenburgstraße in Franz-Josef-Röder-Straße 1984 auf Betreiben des Saarbrücker OB Lafontaine lege davon Zeugnis ab.

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