Theater-Projekt Mit Mumm vor den andern Theater gespielt

DILLINGEN · Nach einem Theaterworkshop über das Thema Sucht haben über 40 junge Leute eigene Stücke aufgeführt – mit Talent, Begeisterung und am Ende: Stolz.

 Bei der Nachbesprechung gab es viel Lob von den Theaterpädagogen.

Bei der Nachbesprechung gab es viel Lob von den Theaterpädagogen.

Foto: Gerhard Alt

Wenn Mama von der Arbeit kommt, trinkt sie Wodka zur Entspannung. Die Gespräche mit ihrer Tochter sind jedoch spannungsgeladen: Vorwürfe, Beschimpfungen, schlimme Wörter. Die Freundin kommt, die jungen Mädchen besuchen eine Bar, trinken selber. Zehn Jahre später wieder: Viel Bier und Schnaps, danach an einem geheimen Ort Pillen und harte Drogen, am Ende zwei tote junge Menschen. Das ist eine von vier Geschichten, wie sie in der Realität vorkommen, jetzt aber als kurze Theaterstücke bei der KEB in Dillingen aufgeführt wurden. Da ging es um die oft ineinander verstrickten Themen Drogenkonsum und -handel, Spielsucht, Ko-Abhängigkeit, Realitätsverlust, Gewalt und Bandenkriminalität.

Auf der Bühne standen über 40 junge Frauen und Männer im Alter von 16 bis 23 Jahren, die an einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme (BvB) der Bundesagentur für Arbeit bei der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) in Dillingen teilnehmen. An den normalen Arbeitstagen lernen sie – betreut von Sozialpädagogen, Bildungsbegleitern, Anleitern und Lehrern – verschiedene Berufsfelder kennen.

Jetzt haben sie in einem Workshop zur Suchtprävention, den das Gesundheitsamt des Landkreises Saarlouis und die KEB mit Eigenmitteln finanzierten, die vier Theaterstücke eigenständig entworfen und in anderthalb Tagen bis zur Bühnenreife entwickelt. Unterstützt wurden sie von vier Theaterpädagogen des mobilen Theaters „Theaterspiel“ aus Witten, die später das Bühnenstück „Alkohölle“ in der Schule am Römerkastell in Dillingen aufführten.

Stephan Ströhr vom Arbeitskreis Suchtprävention des Gesundheitsamtes bescheinigte den Teilnehmenden: „Ganz stark! Nehmt diese Stärke mit, das ist gut fürs Selbstbewusstsein und für die Jobsuche!“ Und im Gespräch ergänzte er: „Die Teilnehmer hier waren zuerst eher verschlossen und haben sich dann aber toll geöffnet. Daran werden sie sich in schwierigen Situationen ihres Lebens sicherlich erinnern.“

Chiara Boßmann übernahm die Hauptrolle einer Frau mit einem besonderen Charakter: „Sie ist zickig, launig, impulsiv, direkt und hat viele Probleme.“ Tim Kaldun spielte einen süchtigen und gewalttätigen Drogendealer. „Wenn man auf einer Party Alkohol trinkt, macht man leicht Sachen, die man sonst nicht macht. Wer Drogen konsumiert, ist leicht durch andere beeinflussbar, verliert die Kontrolle und wird auch schnell gewalttätig“, sagte er. Daniel Trenz, der das Stück um den Mafiaboss Pablo, der selbst Opfer von Gewalt wird, vorschlug, bekannte danach: „Es ist ein erfrischendes Gefühl, wenn man merkt, dass den Leuten gefallen hat, was man gemacht hat.“ Jonas Ippolito hatte nach der Aufführung „einen Frosch im Hals“. Er befand: „In den Schulen müsste mehr gemacht werden. Die Beratungslehrer sollten mehr auf die jungen Menschen zugehen, aber die Schüler müssten sich auch mehr öffnen.“

Sarah Schramm, Bildungsbegleiterin bei der KEB, berichtet: „Wir haben uns auf das Projekt beim Landkreis beworben und sind sehr froh, dass es geklappt hat. Fast alle haben mitgemacht, ich habe anfangs gedacht, dass sich mehr weigern würden.“ Kevin Herbertz von „Theaterspiel“ berichtet, dass eine junge Frau sich von „kein Bock“ zu einer begeisterten Schauspielerin entwickelt habe. „Es waren ein paar Leute dabei, die persönlich ein ganz schönes Päckchen zu tragen haben, und die es große Überwindung gekostet hat, vor den anderen Theater zu spielen. Aber wir haben überraschend schnell gemerkt, dass sie sich beim Theaterspielen wohlfühlten, den Mumm zum Auftritt hatten und gespürt haben, dass sie etwas können.“ Sarah Schramm stellte fest: „Jeder hat ein Stück von sich gezeigt und ist aus seiner Komfortzone herausgetreten.“ Lehrer Klaus-Dieter Kunz sagte: „Eure Improvisationsstärke hat mich richtig begeistert.“

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