Interview „Der Hunsrück ist gefüllt mit Sagen“

Diefflen · Der in Abentheuer lebende Autor vermischt in seinen Romanen das Hier und Heute mit der Welt der Mythen und Magie.

 Norman Liebold (rechts) schreibt nicht nur, hier ist er beim Bronzeguss im Kupferbergwerk Fischbach mit seinem Compagnon Caspar Kampf von der Eisenhütte Abentheuer bei der Vorpremiere von „Zwergenbinge“ zu sehen. Dabei entstanden Schmuckanhänger, die im Roman vorkommen.

Norman Liebold (rechts) schreibt nicht nur, hier ist er beim Bronzeguss im Kupferbergwerk Fischbach mit seinem Compagnon Caspar Kampf von der Eisenhütte Abentheuer bei der Vorpremiere von „Zwergenbinge“ zu sehen. Dabei entstanden Schmuckanhänger, die im Roman vorkommen.

Foto: Gerhard Hänsel

Beim saarländischen Lesefestival „Erlesen“ ist Norman Liebold am Freitag, 5. April, zu Gast in der Buchhandlung Drachenwinkel in Diefflen. Er stellt dort ab 20 Uhr gleich zwei aktuelle Bücher vor.

Im Drachenwinkel lesen Sie gleich aus zwei Büchern vor – „Dämonenwall“ und „Zwergenbinge“. Warum der Doppelpack?

LIEBOLD Letztes Jahr im Februar hielt ich eine Werkstattlesung mit „Zwergenbinge“ im Drachenwinkel, und die Besucher waren sehr begeistert. Viele der Stammhörer wünschten sich darum eine Premierenlesung mit dem Buch, sobald es fertig und herausgekommen wäre. „Dämonenwall“ erschien diesen Februar, und es liegen keine zwei Monate zwischen meinen beiden neuen Romanen. Karsten (Inhaber des Drachenwinkels, Anm. d. Red.) und ich entschieden uns darum, den Doppelpack zu machen: Zum einen feiern wir, dass „Zwergenbinge“ jetzt endlich fertig ist, und zugleich bieten wir auch etwas ganz Neues für die Stammhörer. Dass beide Bücher im selben Verlag – Edition Roter Drache – erscheinen und gewisse Querbezüge zueinander in den Orten haben, macht es zu einer runden Sache.

An „Zwergenbinge“ haben Sie mehrere Jahre gearbeitet und in mehreren Werkstattlesungen über den aktuellen Stand informiert. Wie sehr hat sich das Buch im Verlauf seines Entstehens verändert?

LIEBOLD Die Geschichte selbst stand vom ersten Wort der Niederschrift fest, ich beginne erst mit dem Schreiben, wenn die Geschichte fertig im Kopf steht. Was sich an ihr jedoch verändert hat, sind die Schauplätze. Ursprünglich spielte der Roman im Siebengebirge, wo ich sieben Jahre lang lebte und Geschichten ansiedelte. Dann gab es eine Vielzahl von Umbrüchen in meinem Leben, die mich schlussendlich nach Abentheuer im Hunsrück führten. Daran ist „Zwergenbinge“ nicht ganz unschuldig – als ich 2017 die Eisenhütte Abentheuer und das Kupferbergwerk Fischbach kennenlernte, wollte der Roman hier spielen. Dass sich bei meinen Recherchen zeigte, dass dies hundertmal besser passte und auch Binnenhandlungen wie der Einmarsch der Nationalsozialisten in das Zwergenreich sich an historischen Geschehnissen aufhängen ließ, war wie ein Wink mit dem Zaunpfahl. Ich schrieb die bestehenden Kapitel entsprechend um und konnte endlich die fehlenden ergänzen.

In beiden Romanen vermischt sich Fiktion mit Realität – der Realität des Hunsrücks. Wie passen Drachen, Zwerge und Co. in diese Gegend?

LIEBOLD Der Hunsrück weist nicht nur eine unglaublich spannende Geschichte von den Kelten über Römer, Oldenburger Republik, Drittes Reich bis hin zur Gründung des Nationalparks auf, er ist auch bis zum Bersten gefüllt mit Sagen, Märchen und Mythen. Nicht zuletzt stolpert man allerorten im Wald über keltische Zeitzeugen wie Ringwälle, Hügelgräber und archäologische Fundstätten. In „Dämonenwall“ geht es zum Beispiel um den Fund einer römischen Götterstatue, die sich als Gefängnis eines Naturgeistes entpuppt. Viele keltische Sagen drehen sich um Anderwelt, Tir Nan Og, Avalon. In beiden Romanen wechselt der Protagonist vom Hier und Heute in die Welt hinter den Nebeln, die uns die ganze Zeit umgibt, die aber nur wenige noch wahrzunehmen vermögen. Das Zwergenreich existiert, genauso wie Drachen im Quarzit des Hunsrücks, Nymphen, Dryaden, Quellgeister. In beiden Romanen bricht der Protagonist durch die Grenze und beginnt, die magische Welt zu erleben. Die in „Zwergenbinge“ zugleich eine Allegorie auf den natur- und menschenzerstörenden Monopolkapitalismus darstellt. Das Besondere an meinen Geschichten hier ist, dass die Welten sich durchdringen anstatt getrennt voneinander zu sein.

Gibt es eine bestimmte Sage oder ein bestimmtes historisches Ereignis, das Sie noch als Roman umsetzen möchten?

LIEBOLD Definitiv und mehr als eines. Mein Umsiedeln vom Rheinland in den Hunsrück 2017 ist der fantastischen Fülle an Inspirationen gestundet, die ich hier habe finden dürfen. Zuerst werde ich allerdings eine Reihe von Novellen fertig stellen, die unter dem Titel „Grenzgänger“ sehr realistisch sein werden und sozialkritisch. Dieser zweite Bereich meines Schreibens ruft jetzt laut und möchte an „Navigator“ anknüpfen. Aber dahinter wartet bereits der nächste fantastische Roman, den ich wieder in meiner neuen Heimat verorte.

Sie schreiben nicht nur Romane, sondern illustrieren Sie auch. Wie ist es dazu gekommen?

LIEBOLD Mein Bruder ist Kunstmaler mit Atelier in Leipzig und zehn Jahre älter. Ich bin mit Gemälden und Zeichnungen aufgewachsen und habe früh damit begonnen, selbst zu zeichnen, zu malen und Skulpturen und Schmuck zu machen. Wenn ich schreibe, kommen mir Bilder in den Kopf, und ich bin sehr glücklich, dass ich sie auch in die Wirklichkeit holen kann. Der Schritt, sie auch in die Bücher zu bringen, ist also ein kleiner: Für den Leser entsteht so ein schönes, rundes Gesamtkunstwerk, das ihn tiefer in die Geschichten einzutauchen erlaubt als nur Text. Dass die Edition Roter Drache von der Qualität so angetan war, dass ich die Bücher selbst illustrieren und den Einband gestalten durfte, ist hier natürlich ein besonderer Glücksfall, für den ich sehr dankbar bin.

Was macht mehr Spaß – Schreiben oder Zeichnen?

 Norman Liebold bei einem Gemälde für „Zwergenbinge“.

Norman Liebold bei einem Gemälde für „Zwergenbinge“.

Foto: Jochen Wersdörfer

LIEBOLD Das geht Hand in Hand, beim Schreiben entstehen unzählige Skizzen. Die passendsten arbeite ich dann aus. Das Schreiben ist in jedem Fall das Zentrum, um das sich alles andere rankt. Bis hin zu dem Punkt, wenn ich Bronzeskulpturen mache, die sozusagen aus Geschichten heraus entstehen. Was mehr Spaß macht, ist schwer zu sagen: Das Zeichnen ist einfacher, es gibt schneller vorzeigbare Ergebnisse und deswegen auch mehr Erfolgserlebnisse. In den vier Jahren der Arbeit am Text von „Zwergenbinge“ gab es naturgemäß viele Zweifel, Ängste und Kämpfe. Aber ich würde es nicht trennen, sondern sagen, dass es für mich zusammen gehört.

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