Imker suchen syrische Kollegen

Dillingen · Imkerei war in Syrien vor dem Krieg sehr verbreitet. Da müsste es doch auch unter syrischen Flüchtlingen Imker geben, dachte sich der Bienenzuchtverein Dillingen – und fand sie.

 Matthias Kremer (2. v.l.) zeigt den Syrern Diaa Alwadi und Mohammad Alwadi, Neuimker Mohammad Khadra, Mohamed Rajeh und Neuimker Mirei Shab (v.l.) seine Bienenstöcke in Dillingen. Foto: Seeber

Matthias Kremer (2. v.l.) zeigt den Syrern Diaa Alwadi und Mohammad Alwadi, Neuimker Mohammad Khadra, Mohamed Rajeh und Neuimker Mirei Shab (v.l.) seine Bienenstöcke in Dillingen. Foto: Seeber

Foto: Seeber

Imkervereine suchen Nachwuchs, und syrische Flüchtlinge suchen Anschluss - da müsste man doch zusammenkommen, dachte sich Matthias Kremer, Vorsitzender des Dillinger Imkervereins. Im März startete der Verein deshalb einen Versuch und verteilte über das Dillinger Rathaus mehrsprachige Flyer an Flüchtlinge . "Imkerkollegen unter den Flüchtlingen gesucht" lautet die Überschrift. Nach Angaben des syrischen Imkerverbands, berichtet Kremer, gab es vor dem Krieg in Syrien etwa 15 000 Imker, davon etwa ein Drittel Berufsimker. "Die Wahrscheinlichkeit, dass sich unter den vielen Flüchtlingen, die hierher kommen, auch Imker befinden, ist relativ hoch", überlegte Kremer. Und tatsächlich: Über die Flyer-Aktion haben sich inzwischen schon zehn syrische Flüchtlinge gemeldet, sechs von ihnen haben in ihrer Heimat selbst geimkert.

Das gemeinsame Hobby , das auf englisch "Beekeeping" heißt, verbindet: Im Garten von Kremer in Pachten treffen sich die Flüchtlinge nun mehrmals die Woche, auch zum monatlichen Imkerstammtisch in Dillingen kommen sie. Die Kommunikation läuft dabei erstaunlich gut, "in einem Mischmasch aus Arabisch, Englisch und immer mehr Deutsch", schildert Kremer.

Der Verein bietet den neuen Mitgliedern neben der beitragsfreien Aufnahme eine Art Patenschaft: Jeder Neu-Imker erhält ein Bienenvolk, das er mit Unterstützung der anderen Vereinsmitglieder pflegt. Eine Familie aus Diefflen, berichtet Kremer freudig, hat sich sogar bereit erklärt, ein großes Obstgrundstück zur Verfügung zu stellen, auf dem die Neu-Imker ihre Völker aufstellen und außerdem das Obst ernten dürfen.

Unterschiede in der Imker-Tätigkeit gibt es kaum, berichten die Syrer. Natürlich gibt es andere klimatische Bedingungen, es ist trockener und wärmer, der Winter ist milder als in Deutschland. Deshalb liefern auch andere Pflanzen die Grundlage für den Honig: Zitronen-, Eukalyptus- und Olivenbäume, Anis sowie Thymian, Zistrose oder Heidekraut in den Bergen. Überhaupt, schildert der Syrer Mohammad Khadra, müssen die Imker mit ihren Völkern viel mehr wandern.

Andere Biene, gleicher Feind

Während bei deutschen Imkern die Biene Apis mellifera carnica vorherrscht, nutzen die syrischen die Apis mellifera syriaca, die etwas kleiner und bräunlich gestreift ist und außerdem widerstandsfähiger. Einen gemeinsamen Feind kennen die Imker aber hier wie dort: d ie Varroa-Milbe.

Gemeinsamkeiten gibt es viele: So betreiben in Deutschland wie in Syrien vor allem Männer die Imkerei als Hobby , und oft wird das Wissen über Bienen und die Begeisterung über Generationen weitergegeben. Das gemeinsame Hobby bringt nun auch in Dillingen die Generationen zusammen: Die neuen Mitglieder im Dillinger Imkerverein senken den Altersschnitt deutlich, schmunzelt Kremer.

Der 19-jährige Mohamed Rajeh etwa hat sich als Neuimker gemeldet, vor allem, weil er mit Deutschen in Kontakt kommen will: "Ich bin seit acht Monaten in Deutschland", erzählt er, "aber Herr Kremer ist der erste Deutsche, den ich kennenlerne." Dass sie als Flüchtlinge isoliert sind und keine Kontakte zu deutschen Mitbürgern haben, beklagen alle fünf. Von Beruf waren sie vor ihrer Flucht Maler, Ingenieur, Student und Hotelangestellter. Mirei Shab, 34 Jahre alt, erzählt: "Ich habe in Syrien zwölf Stunden am Tag gearbeitet, hier kann ich nur im Haus sitzen oder schlafen, das macht mich krank." Gerade weil sie Deutschkurse besucht haben, würden sie gerne ihr neues Wissen anwenden und verbessern - doch das geht nur im Austausch. Durch den direkten Kontakt, so ist sich Kremer sicher, lassen sich viele gegenseitige Vorurteile abbauen - "bei einer Begegnung auf Augenhöhe".

Meinung:

Miteinander in Kontakt kommen

Von SZ-Redakteurin Nicole Bastong

Integration kann nicht per Gesetz verordnet werden, weder den Flüchtlingen noch den Deutschen. Damit sie gelingt, braucht es die Initiative zum Beispiel der Vereine . Auch wenn die deutsche Vereinskultur den Ausländern fremd ist, auch wenn den Deutschen die Gruppen aus jungen arabisch sprechenden Männern suspekt sind. In Kontakt kommen heißt Vorurteile abbauen. Am Ende haben alle etwas davon: Die Vereine bekommen Nachwuchs und tatkräftige Unterstützung, die Neubürger finden Anschluss und sinnvolle Betätigung. Der Bienenzuchtverein Dillingen geht hier mit gutem Beispiel voran - das sollten noch viel mehr Vereine wagen.

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