"Es kann überall passieren"

Dillingen. Zum Abschluss ihres Besuches gab es einen offenen Gesprächsnachmittag im Dillinger Oswald-von-Nell-Breuning-Haus, organisiert vom Kooperationspartner KEB Dillingen

 Zeitzeugen zu Besuch bei der KEB Dillingen: Nina Kravtsova war als Kind im Lager Auschwitz-Birkenau inhaftiert. Auf ihrem Arm ist die Erkennungsnummer eintätowiert. Foto: Thomas Seeber

Zeitzeugen zu Besuch bei der KEB Dillingen: Nina Kravtsova war als Kind im Lager Auschwitz-Birkenau inhaftiert. Auf ihrem Arm ist die Erkennungsnummer eintätowiert. Foto: Thomas Seeber

Dillingen. Zum Abschluss ihres Besuches gab es einen offenen Gesprächsnachmittag im Dillinger Oswald-von-Nell-Breuning-Haus, organisiert vom Kooperationspartner KEB Dillingen. Erstaunlich war, dass nicht nur ältere Dillinger, sondern auch viele junge Leute zu diesem Gesprächstermin gekommen waren, bei dem die ehemaligen Häftlinge aus der Zeit ihrer Verfolgung und Haft erzählten und alle Fragen offen beantworteten. "Wie beurteilen Sie Deutschland heute?", war eine der Fragen, die beim Gespräch gestellt wurde. "Sie sind hierher gekommen, um über Ihr Schicksal zu informieren, warum tun Sie das und reißen alte Wunden wieder auf?" lautete eine andere Frage. "Verzeihen ja, aber vergessen nicht", sagten die Gäste. "Wir sind die letzten, die diese Geschichte noch erzählen können", antwortete Nina Kravtsova. "Man hat immer noch Angst vor einer Wiederholung. Damals waren die Deutschen eines der klügsten Völker der Welt, und sie konnten in kurzer Zeit umprogrammiert werden. Es kann immer und überall passieren, deshalb müssen wir unsere Geschichte erzählen." Karl Epschtein, ukrainischer Jude, formulierte es so: "Erst hat Hitler von Stalin gelernt, dann Stalin von Hitler." Die Juden seien Opfer gewesen, aber auch die Deutschen, die die Juden umbrachten, seien Opfer gewesen. Was Karl Epschtein Leid tut: "Es ist sehr spät, es leben nur noch wenige von uns, die erzählen können, wie es war." "Ja, das tut ein bisschen weh", sagte Christine Küpper, Vertreterin des Maximilian-Kolbe-Werkes aus Freiburg. "Aber wir sind gekommen, sobald es uns politisch möglich war." Den Austausch von Zeitzeugen organisiert und finanziert das Maximilian-Kolbe-Werk seit 15 Jahren. Einer der Gäste aus der Ukraine berichtet über sein Verhältnis zu den Deutschen. Sein Großvater habe nach dem ersten Weltkrieg sieben Jahre in Deutschland gelebt. Er habe immer gesagt: "Die Deutschen tun so etwas nicht". "Und er hatte recht. Die Deutschen sind ein gutes Volk", sagt Leonid Drutman jetzt nach seinem Aufenthalt. Ein Bild ist den Gästen aus der Ukraine vor allem im Gedächtnis geblieben. Nämlich das Bild von Altkanzler Adenauer, der in den 60er Jahren in Jerusalem vor der Klagemauer kniet und um Verzeihung bittet. "Als Adenauer sich wieder erhoben hat, hat der das ganze deutsche Volk mit sich genommen", sagt Leonid Schlovski.Um den Wert ihrer Arbeit in den Schulen zu würdigen, wurden die Gäste von der Landrätin und in der Staatskanzlei empfangen. Auch ein Besuch im ehemaligen KZ an der goldenen Bremm stand an. Besonders beeindruckt hat die Gäste aus der Ukraine aber vor allem die offene Grenze im Dreiländereck. Untergebracht waren die Gäste im Wallerfanger Haus Sonnental. "Es leben nur noch wenige von uns, die erzählen können, wie es war." Karl Epschtein

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort