„Eltern sein ist richtig Arbeit“

Fraulautern. Erziehung und Bildung waren das Thema bei der Fachtagung des Aktionsprogrammes Jugendhilfe-Schule-Beruf im Landkreis Saarlouis. Seit acht Jahren besteht dieses Netzwerk. SZ-Mitarbeiter Johannes A. Bodwing sprach im Vereinshaus Fraulautern mit dem Hauptredner, Professor Klaus Hurrelmann. Hurrelmann ist Sozial-, Bildungs- und Gesundheitswissenschaftler, er leitete unter anderen die letzten Shell Jugendstudien und World Vision Kinderstudien

Herr Professor Hurrelmann, kann man in Deutschland von einer klaren Fehlentwicklung im Erziehungs- und Bildungssystem sprechen, und wenn ja, worin bestand diese?

Klaus Hurrelmann: Hier gab es im Kaiserreich eine hoheitliche Struktur. Das hatte man vom Militär abgeschaut und das war bei der Gründung gut und effizient. Das haben wir dann in der Nachkriegszeit 40 Jahre zu lange bestehen lassen. Und erst jetzt, nach den internationalen Vergleichsstudien, greifen die nötigen Veränderungen.

Wo werden wir in etwa 20 Jahren stehen?

Hurrelmann: Ich habe gelernt, dass es keinen großen Knall gibt, sondern eine kontinuierliche Entwicklung. In 20 Jahren wird es neben dem Gymnasium nur noch Schulen geben, die alle Abschlüsse anbieten. Es wird auch nur noch wenige Förderschulen geben. Aber es wird in Deutschland keine Einheitsschule sein, sondern eine Koexistenz gleichrangiger Modelle mit großer Vielfalt.

Könnten für die weitere Entwicklung skandinavische Länder Vorbild sein?

Hurrelmann: Die haben zu sehr eine eigene Entwicklung gemacht. Aber gucken wir doch mal nach den Niederlanden. Die haben eine entspannte Haltung. Da sind Kindergärten und Schulen alle privat, in Trägerschaft von Kirche oder Vereinen. Dieses Modell beinhaltet eine gewisse Konkurrenz zwischen den Einrichtungen, und das wiederum stärkt die Elternbeteiligung.

Spielen Eltern überhaupt noch eine Rolle im heutigen Erziehungs- und Bildungssystem?

Hurrelmann: Die traditionelle Trennung von Erziehung und Bildung funktioniert nicht mehr. Deshalb wird Schule unter den heutigen Bedingungen der ideale Platz für Erziehung und Bildung. Aber Eltern sind weiterhin der Schlüssel zur Bildung, sie bestimmen den Schulerfolg ihrer Kinder. Andererseits sehen viele nur das Abschlusszertifikat im Vordergrund, nicht dessen Inhalt. Ich empfehle den Eltern immer, interessiert euch doch dafür, was im Unterricht vermittelt wird. Eltern sollten auch lernen, mit den Einrichtungen kompetent und geschickt zusammen zu arbeiten. Auf Augenhöhe, auch mit Vorschlägen und Forderungen. Diese Zeit müssen sie investieren, damit Eltern ergänzend mit Kindergarten und Schule als Erziehungspartnerschaft funktionieren. Eltern sein ist richtig Arbeit.

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