Integration Deutsch übt sich leichter mit Freunden

Dillingen · Dillinger Flüchtlingshelfer wollen Einheimische und Syrer zusammenbringen. Bei einem Ausflug in den Holiday-Park ist das nun gelungen.

 Die Flüchtlingshilfe Dillingen ProVoce hatte deutsche und syrische Familien zu einer gemeinsamen Fahrt in den Holiday-Park in Hassloch eingeladen, um den Austausch zu fördern.

Die Flüchtlingshilfe Dillingen ProVoce hatte deutsche und syrische Familien zu einer gemeinsamen Fahrt in den Holiday-Park in Hassloch eingeladen, um den Austausch zu fördern.

Foto: Matthias Kremer

Einmal einen Tag voller Freude und Spaß erleben statt drückende Sorgen – das haben die Flüchtlingshelfer von ProVoce Dillingen deutschen und syrischen Familien aus Dillingen ermöglicht. Einkommensschwache Familien aus Dillingen, ausgewählt vom Rathaus, und Flüchtlingsfamilien machten zusammen einen Ausflug in den Holiday-Park in Hassloch – für viele von ihnen war es der erste Besuch in einem Freizeitpark. Die Fahrt wurde komplett durch Spenden finanziert.

Seit zweieinhalb Jahren betreibt Matthias Kremer als ehrenamtlicher Flüchtlingshelfer mit anderen engagierten Helfern in Dillingen ein Flüchtlingsbüro: Dieses soll nicht nur Anlaufstelle für Migranten bei Problemen aller Art sein, sondern vor allem die Kommunikation zwischen Migranten und der einheimischen Bevölkerung fördern, und damit auch die Integration. Doch das gelingt bisher nur schleppend: „Wir haben große Schwierigkeiten, den Kontakt zwischen Flüchtlingen und deutscher Bevölkerung herzustellen“, bedauert Kremer.

Jeden Tag ist der Treff in der Hüttenwerkstraße belegt: Besonders die Deutschkurse für syrische und kurdische Frauen sind gefragt. „Die Frauen haben einen großen Vorteil hier: Sie können ihre Kinder mitbringen“, betont Kremer. Ein großer Teil der Frauen habe noch keinen Sprachkurs besucht, bei den übrigen würden die Kenntnisse aus den Kursen vertieft. „Wir haben hier schon gut 100 Frauen in die Lage versetzt, sich mit anderen gut auf Deutsch unterhalten zu können“, sagt Kremer stolz. Das möchten diese nun auch gern anwenden.

Um Deutsche und Syrer losgelöst vom Alltag miteinander in Kontakt zu bringen, hat Kremer die gemeinsame Tagesfahrt organisiert. Mit 38 Erwachsenen und 50 Kindern in jedem Alter waren zwei Busse unterwegs. „Das war wirklich für alle ein besonderes Erlebnis“, schwärmt Kremer, „die Leute waren wie ausgewechselt, das war beeindruckend zu sehen.“ Kremer hofft, dass aus dem gemeinsamen positiven Erlebnis auch längerfristige Kontakte entstehen und auf deutscher Seite Vorurteile abgebaut werden konnten. Denn die machten Alltagsbegegnungen schwierig, zufällig gebe es kaum Gespräche, meint der Flüchtlingshelfer: „Wir müssen das lenken, die Leute aktiv zusammenbringen.“ Aber auch das ist nicht immer einfach: Kremer berichtet von einer Aktion zum Dillinger Herbstding, zu der die syrischen Kinder in der Innenstadt Rosen verteilten, versehen mit einer kleinen Einladung, den Treff zu besuchen. „Es kam kein Einziger“, bedauert Kremer, „wir waren alle sehr enttäuscht.“

Die Idee mit der gemeinsamen Fahrt scheint besser funktioniert zu haben: Die Begeisterung ist im Treff auch Tage später noch zu spüren. Berizan Bako und ihr Mann machten zum ersten Mal mit ihren Kindern einen Ausflug. „Wir haben alles ausprobiert“, lacht sie. Seit drei Jahren lebt die Syrerin in Dillingen, wie viele wünscht sie sich sehr, Kontakte und Freundschaften hier aufzubauen. „Seit fünf Monaten gehe ich in einen Deutschkurs“, erzählt sie, „und seitdem rede ich mit jedem, in der Kita, mit den Nachbarn. Vorher war es schwieriger.“ Auch Faizah Ibrahim hätte gerne mehr Kontakt zu Einheimischen. Mit ihrem Mann und Tochter lebt die 35-Jährige seit zwei Jahren in der Hüttenstadt. „Die Fahrt war sehr schön“, sagt sie; nun wäre es gut, wenn öfter auch Deutsche in den Treff kämen.

„Mir gefällt die offene Art der Syrer“, sagt eine deutsche Mutter aus Dillingen, die nicht mit Namen genannt werden möchte, „Wir Deutschen sind ja wirklich verklemmt.“ Sie erlebe selbst, dass es viele Vorurteile gegenüber Migranten gebe, sagt sie, aber sie erlebe auch eine Ungleichbehandlung bei sozialen Leistungen. „Das schürt viel Ärger.“ Über die Fahrt hat sie sich gefreut: „Wir waren zum ersten Mal in so einem Park. Wir können uns so etwas schlichtweg nicht leisten.“

Mit drei ihrer Kinder ist Melanie Grosdidier mitgefahren: „Sowas haben wir noch nie zusammen gemacht, das war ein toller Tag, nicht nur für die Kinder“, findet sie. Sie habe ohnehin schon Kontakt zu ausländischen Mitbürgern, Berührungsängste habe sie also keine, erlebe sie aber in ihrem Umfeld. „Es wird schon viel Hetze verbreitet.“

Koujan Tammam, Mathematiklehrer aus Syrien, wünscht sich ebenfalls mehr Kontakt und Freunde in Deutschland, auch für seine Kinder. „Mein Sohn hat in der Schule viele Freunde, aber eben nur dort. Nie kommt jemand zu uns nach Hause oder er wird eingeladen“, erzählt er. Der Syrer und seine Frau sprechen beide schon gut Deutsch, aber, finden sie, „man muss die Sprache mit anderen üben“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort