„Keine Kinderarbeit an Grabmalen“

Saarlouis/Bous · Auch auf die Friedhöfe rücken Nachhaltigkeit und globale Verantwortung ein. Besser gesagt: die kontroverse Diskussion darüber, was da richtig und falsch ist. Wie man zum Beispiel ausschließt, dass Grabsteine von Kindern bearbeitet wurden. Beispiele sind Bous und ein Saarlouiser Steinmetz-Betrieb.

 Wilhelm-Michael Kasakow bearbeitet ein Werkstück, hier deutschen Kalkstein. Fotos: Thomas Seeber

Wilhelm-Michael Kasakow bearbeitet ein Werkstück, hier deutschen Kalkstein. Fotos: Thomas Seeber

Auch Grabsteine brauchen ein verlässliches Herkunftszertifikat, genau wie Textilien oder Lebensmittel, davon ist die Gemeinde Bous überzeugt. Sie hat das Ende des Jahres auch in ihre Friedhofssatzung geschrieben wie zuvor vor allem größere Städte in ganz Deutschland. Derzeit informiert Bürgermeister Stefan Louis die Steinmetzbetriebe darüber. "Wir schreiben den uns bekannten Betrieben Briefe, in denen wir sie bitten, nachzuweisen, dass die von ihnen verwendeten Steine ohne Kinderarbeit bearbeitet wurden", sagt Louis. Das heißt: Die Steine, die per Schiff zum Beispiel aus Indien nach Europa kommen, brauchen ein Zertifikat.

Angestoßen hat die Satzungsänderung letztlich die SPD-Fraktion im Bouser Rat. Anlass waren Diskussionen um Stelen für Urnen auf dem örtlichen Friedhof.

Sicherheit durch Zertifikate

Ein großer Teil der Grabsteine auf deutschen Friedhöfen kommt aus Übersee. Zertifikate sollen sichern, dass die Blöcke oder die schon fertig bearbeiteten Grabsteine aus Granit nicht von Kindern oder in anderen Formen von Ausbeutung von Mensch und Natur produziert wurden.

Dem Saarlouiser Bildhauer-Betrieb Hassdenteufel und Kasakow reicht das nicht. Ob man den Zertifikaten wirklich trauen könne? "Keine Kinderarbeit an Grabmalen", sagt Wilhelm-Michael Kasakow entschieden und will sichergehen: "Wir brauchen diese Steine erst gar nicht." Er selbst biete nur noch Steine regionaler Herkunft an. Region ist dabei groß gedacht: Kalkstein aus Luxemburg, Granit aus dem Bayerischen Wald, Steine aus Frankreich und Spanien.

Seine Kunden, sagt Kasakow, nähmen das gerne an. Verantwortung und globale Nachhaltigkeit seien durchaus auch Faktoren, die in eine individuelle Grabgestaltung einfließen könnten. Ein "schlicht gestaltete europäischer Grabstein liegt preislich auf demselben Niveau wie ein aufwendig verzierter Stein aus einem Billiglohnland."

Nachhaltigkeit müsse den ganzen Betrieb "wie ein roter Faden durchziehen", sagt Kasakow. Das betreffe auch die Werkzeuge. Der Steinmetz, der Standorte in Saarlouis und Püttlingen hat, und der deutschlandweit tätig ist, hat sich deshalb als erster saarländischer Betrieb der Initiative "Handwerk mit Verantwortung" angeschlossen. Sie wurde 2014 von dem Steinbildhauer Timothy C. Vincent gegründet. Die Initiative befindet sich allerdings noch im Aufbau.

Schritte wie die Initiative von Kasakow oder die Satzungsänderung in Bous sieht die Landesinnung der Steinmetze skeptisch. Solche Änderungen der Friedhofsatzungen verstoßen nach Ansicht des Landesinnungsmeisters Johannes Räbiger aus Mettlach gegen geltende Gesetze. Räbiger verweist dazu auf die Rechtsprechung: Deutsche Oberverwaltungsgerichte wie im April 2013 in Lüneburg oder im September 2013 das Bundesverwaltungsgericht kommen teilweise zur Auffassung, dass Satzungsänderungen wie die in Bous rechtswidrig seien. Diese Diskussion laufe auch in vielen Kommunen an der Saar, sagt Räbiger. "Ein Riesenthema besonders unter den Steinmetzen." Darüber werde die saarländische Stein- und Holzbildhauer-Innung in Kürze beraten.

Problem Pflastersteine

 Wilhelm-M.Kasakow

Wilhelm-M.Kasakow

Räbiger wirft aber auch diese Fragen auf: Erstens, garantieren Zertifikate wirklich das Gewünschte? Da kann er Zweifler wie den Saarlouiser Kasakow gut verstehen. Es brauche aber auch eine Kundschaft, die dafür sensibel sei. Zweitens: "Können wir uns wirklich anmaßen, darüber zu urteilen, ob Kinder in Indien oder anderswo nicht zum Familienunterhalt beitragen dürfen?" Dass er damit nicht der ausbeuterischen Kinderarbeit das Wort reden will, versteht sich. Und drittens: Die meisten Steine aus Indien kämen als tonnenschwere Blöcke nach Europa, "da ist schwer vorstellbar, dass die von Kindern bearbeitet wurden."Ausbeuterische Kinderarbeit in diesem Bereich sei klar ein Problem - aber nicht bei Grabsteinen, sondern bei den viel kleineren Pflastersteinen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort