Jugendliche finden Graffiti normal

Bous/Völklingen. Graffiti an Wänden im Stadtbild stellen eine Sachbeschädigung dar, aber ihre Beurteilung scheidet die Geister, offenbar vor allem die Generationen. Die Sprayer - je nach Standort "Künstler" oder "Schmierer" - sind in den allermeisten Fällen junge Männer

Bous/Völklingen. Graffiti an Wänden im Stadtbild stellen eine Sachbeschädigung dar, aber ihre Beurteilung scheidet die Geister, offenbar vor allem die Generationen. Die Sprayer - je nach Standort "Künstler" oder "Schmierer" - sind in den allermeisten Fällen junge Männer. Ihre Altersgruppe - Jugendliche - lehnt in einer vom Bouser Polizeichef Werner Michaltzik durchgeführten Umfrage Graffiti nur zu 6,9 Prozent ab. Die Übrigen sagen: Sie gefallen mir, vor allem, wenn es größere Gebilde sind (85 Prozent) oder dreidimensionale Bilder (68,4 Prozent). "Die Ausdrucksform erfreut sich bei Jugendlichen beiderlei Geschlechts einer wohlwollenden Beliebtheit. Sie ist dort als künstlerische Ausdrucksform weitgehend akzeptiert", folgert Michaltzik. Dabei ist den Jugendlichen zu fast vier Fünfteln klar, dass es sich um Straftaten handelt.Die Umfrage, vom Sicherheitsbeirat der Stadt Völklingen in Auftrag gegeben, spiegle zwar Völklinger Eigenheiten, zeige aber verallgemeinerbare Tendenzen. 562 Schülern zweier Erweiterter Realschulen, zweier Gymnasien und eines Berufsbildungszentrums bekamen den Fragebogen in die Hand. Zwei Drittel beantworteten ihn. 224 Mädchen und 132 Jungen, eine sehr hohe Rücklaufquote. Im Detail offenbart sich ein überraschendes Bild. Denn zwei Drittel der Jugendlichen finden nicht, dass es (in Völklingen) zu viele Graffiti gebe. Für fast zwei Drittel beeinträchtigen die Sprayer-Zeugnisse das Stadtbild nicht. Für ein Drittel schon - für die Polizei ein wichtiger Hinweis, dass die Akzeptanz Grenzen hat. Beim eigenen Haus . . .Aber 80 Prozent sagten, sie würden nicht sofort die Polizei holen, wenn sie Sprayer beobachteten. Beträfe dies jedoch das Haus, in dem sie wohnen, würden 54 Prozent der Jungen und 41 Prozent der Mädchen Anzeige erstatten. Überhaupt: Jugendliche wollen Graffiti nicht überall. Mit großer Mehrheit (85 Prozent) nicht an Privathäusern, Kirchen und Moscheen (82 Prozent), denkmalgeschützten Gebäuden (78,6 Prozent) oder öffentlichen Gebäuden (67 Prozent) und Garagentoren (48 Prozent). Nichts einzuwenden haben dagegen weitaus die meisten, über 80 Prozent, gegen Sprayen auf Brückenpfeiler, Stützmauern und Fußgängerunterführungen und leer stehenden Häusern.Schere öffnet sichDa geht eine Schere auf: Gerade öffentliche Gebäude und Baudenkmäler, sagt Polizei-Chef Michaltzik, werden viel öfter besprüht als es in den Augen der befragten Jugendlichen in Ordnung sei. Die klarste Mehrheit von 90 Prozent gab es zur Frage, ob die Kommune Flächen zum Besprayen anbieten sollte. Nur zwei Drittel dagegen wollen Flächen von Firmen, Schulen oder Privatleuten.Unklar ist Jugendlichen offenbar, wie lange sie der Anspruch auf Schadensersatz für die Beseitigung der Graffiti verfolgen kann: Nur ein Fünftel tippte richtig auf 30 Jahre. Meinung

Relativierung des Rechts

Von SZ-RedakteurJohannes Werres Jugendliche sind mit Graffiti aufgewachsen und finden sie weitgehend normal. Das belegt die Umfrage. Die Polizei kann sich bei der Aufklärung dieser Straftaten kaum auf Jugendliche stützen. Wobei man nicht vergessen darf, dass der Sprayer-Kreis selbst nur eine winzige Gruppe der Jugendlichen ausmacht. Bedenklich erscheint, dass Jugendliche zustimmen, obwohl sie wissen, dass es sich um Straftaten handelt. Und um echte Schäden. Da sind die Jugendlichen ganz erwachsen. Denn die Relativierung des Rechts, das machen die Großen in anderen Bereichen vor. Dringende gesellschaftliche Aufgabe ist es, Rechtsbewusstsein zu fördern. Ein Ansatzpunkt bei Graffiti kann die Einstellung Jugendlicher sein, wenn das eigene Wohnhaus betroffen ist.

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