Bilder der Schicksalskräfte

Antike griechische Vasen, jede einzelne einen Museumsbesuch wert, grafische Blätter von Meistern aus den 500 Jahren zwischen Raffael und Picasso und eine eigenwillige Idee: Das ist "Epihaneia - Die geheime Kraft der Bilder von Raffael bis Picasso". Eine Ausstellung zum 20-jährigen Bestehen des Museums Haus Ludwig in Saarlouis

Antike griechische Vasen, jede einzelne einen Museumsbesuch wert, grafische Blätter von Meistern aus den 500 Jahren zwischen Raffael und Picasso und eine eigenwillige Idee: Das ist "Epihaneia - Die geheime Kraft der Bilder von Raffael bis Picasso". Eine Ausstellung zum 20-jährigen Bestehen des Museums Haus Ludwig in Saarlouis. Das Museum, inzwischen in Regie der Stadt Saarlouis, gehörte anfangs zum Netz von Museen und Einrichtungen des Sammler- und Stifterehepaars Peter und Irene Ludwig. Bis heute bestücken die Ludwig-Sammlungen in ganz Deutschland die Ausstellungen in Saarlouis. Anders kämen derart kostbare Schätze und die Ausstellungskonzepte nicht nach Saarlouis.Die neue Ausstellung ist keine leichte Kost. Man kann sie sich auf drei Arten ansehen: Entweder man besucht einfach die 18 antiken Vasen mit den vielen mythologischen Darstellungen. Die Vasen stammen aus der Zeit um 500 vor Christus. Sie kommen aus dem Antiken-Museum Basel. Es gehört auch zu den Ludwig-Museen. Und im Vorbeigehen kann man sich das eine oder andere Bild anschauen, das um die Vasen gruppiert ist. Die Künstler der Grafiken tragen berühmte Namen von Raffael bis Picasso. Oder: Man lässt sich inspirieren von den Mythen auf den griechischen Vasen und überlässt sich dann dem eigenen Gefühl: beim Betrachten der Bilder. Das gehe durchaus, versichert Museumsleiterin Claudia Wiotte-Franz. Denn die griechischen Mythen halten menschliche Ursituationen fest. Unmittelbare Einsichten in die Seele des Menschen. Bilder für Urkräfte und Triebe, die das Schicksal bestimmen. Das des Menschen, das der griechischen Götter. Das gemeinsame Mahl. Der Held. Der Tod. Der Wunsch nach ewigem Leben. Antriebe, Triebe, Begierden. Verbildlicht in mythologischen Szenen auf Gefäßen, die vor 2500 Jahren die Toten auf ihrer Jenseitsreise begleiteten. Dass sich die Schicksalskräfte des Menschen geändert haben, ist unwahrscheinlich. Ewig darf man sie nennen. Deswegen lassen sich Künstler seitdem von ihnen faszinieren. Die Kunstgeschichte des Abendlandes versammelt Variationen, Verzerrungen, Spiele mit den griechischen Gestalten, die Ur-Kräfte verkörpern. Mit dem griechischen Bewusstsein, so Bernhard Mensch, der die Ausstellung konzipiert hat, "dass das Leben ein Drama ist". Davon ließen sich Künstler inspirieren. Haben lästerlich damit gespielt wie Honoré de Daumier im 19. Jahrhundert. Er macht mit dem Pathos, das seine Zeit den Griechen entgegenbrachte, Kritik an der eigenen Zeit sichtbar. Oder Francisco Goya. Seine Radierungen zum "Desaster des Krieges" Anfang des 19. Jahrhunderts nehmen die Helden-Antriebe der Griechen auf und drehen sie ins Gegenteil um: Abgründe von Trieben und Seele. Das wirkt auch so, ohne Erklärung.Die dritte Art, diese Ausstellung zu besuchen: ihrer Idee auf die Spur kommen. Zuerst die verständlichen Tafeln zu dem jeweiligen Thema lesen. Dann das Gesagte auf den wundervollen griechischen Vasen wiederfinden. Und dann das Gesehene im Spiegel der Meister-Grafiken rund um die Vasen erkennen: als variierend, verzerrend, widersprechend. Die kleinen Texte an den Bildern sind dabei sehr nützlich. "Epiphaneia" heißt die Ausstellung. Erscheinung, Sichtbarwerden einer verborgenen Gottheit. Sie macht hier auch Schicksalkräfte sichtbar. Bernhard Mensch: Von dieser Vision erfasst zu werden, ergriffen, erschüttert, das treibe die Künstler an. Sie können sich wiederfinden in einer Amphore um 540 vor Christus: Da tanzen seltsame Mischwesen aus Mensch und Pferd (Silenen) aufgeregt um eine Gestalt, die ein Henkelgefäß hält: Dionysos. Die Tanzenden haben die Gottheit gesehen. In ihr offenbaren sich Urkräfte der Freude, der Lebenslust, des Rausches. Es ist der Blick in die Seele des Menschen. In etwas von dem, was sein Schicksal immer bestimmen wird. Diese göttliche Vision ergreift die Silenen - genau wie die Künstler noch nach 2500 Jahren. Vielleicht sollte man mit dieser Amphore den Rundgang durch die schatzkammerartig ausstaffierten Räume beginnen. Und dann ahnen, dass hier nicht einfältige Geschichten erzählt werden. Sondern sich "geheime Kraft" offenbart - so der Untertitel der Ausstellung - die den Betrachter die Nähe von Kunst und Kult begreifen lässt. "Das griechische Bewusstsein, dass das Leben ein Drama ist."Bernhard Mensch

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