Apokalyptische Höllenfahrt endet versöhnlichApokalypse endet versöhnlich

Dillingen. Das Cello steigt wie aus dem Nichts auf. Auch die ersten Chor-Worte wirken wie geröchelt. Danach wird's richtig laut. Franz Neidhöfer setzt auf dramatische Kontraste in der Lautstärke von Chor und Orchester und forciert somit die theatralischen Effekte, die Verdi so nicht gewollt hat

Dillingen. Das Cello steigt wie aus dem Nichts auf. Auch die ersten Chor-Worte wirken wie geröchelt. Danach wird's richtig laut. Franz Neidhöfer setzt auf dramatische Kontraste in der Lautstärke von Chor und Orchester und forciert somit die theatralischen Effekte, die Verdi so nicht gewollt hat. Er hatte sich ausdrücklich verbeten, das Werk mit den Phrasierungen und Akzentsetzungen einer Oper zu singen - gerade um dem Vorwurf, sein Requiem sei eine "Oper im Kirchengewand" entgegenzuwirken. Auch rückt Franz Neidhöfer das einfühlsam und technisch versierte Orchester zu sehr in den Vordergrund, wodurch der sakrale Charakter des Requiems weitgehend verloren geht. Verdis Requiem ist ein flehentliches Gebet für das Heil der Verstorbenen, ist wie "Ein deutsches Requiem" von Brahms keine schwermütige Totenmesse oder ein Schreckensbildnis à la Berlioz. Es soll den Hinterbliebenen Trost spenden. Schon im Kyrie macht der Wechsel vom düsteren a-Moll zu Beginn zum aufblühenden F-Dur den Grundgestus von Hoffnung und Zuversicht hörbar - nicht erst mit dem versöhnlichen C-Dur zum Ausklang. Das atemberaubende "Dies irae" bewahrt allerdings vor zu viel Heilsgewissheit. Schläge der Kesselpauke sowie die infernalischen "Tremendae"-Rufe des Chors lassen den Saardom erzittern. Dagegen rührt das um Erlösung und Gnade heischende "Salva me", das der Kammerchor mit sehr schönem Stimmpotenzial einfühlsam vorträgt. Zügige Tempi verhindern das Baden in gefühligen Höhepunkten. Auch die ukrainische Sopranistin Oxana Arkaeva und der israelische Mezzo Edna Prochnik scheinen sich mitunter auf der Opernbühne zu wähnen. Gerade Arkaeva macht beispielsweise im "Kyrie" (um das hohe h zu erreichen) zu intensiven Gebrauch von expressiven Portamenti. Erst beim "Libera me" und dem "Dies irae" zum Schluss des Requiems zeigt sie, dass sie verinnerlichte Momente eindrucksvoll vorzutragen weiß. Edna Prochnik macht mit ihrer Espressivo-Interpretation im "Lux aeterna" die Intensität des Bittgesangs deutlich spürbar. Mit sicherer und warmer Tongebung und deklamatorischer Intensität überzeugt Karsten Mewes, Bass, während Algirdas Drevinskas, Tenor, trotz seines schönen Timbres die nötige Fülle und große lyrische Stimme für Verdi fehlt. Nicht immer erreicht Neidhöfer mit seinem strengen Dirigat den optimalen Verschmelzungsgrad. Trotzdem: Hochachtung vor der immensen Leistung aller Mitwirkenden.

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