Zwillinge fühlen sich wie zuhause

Homburg/Ommersheim · Die Zwillinge Mihail und Anatoly aus Weißrussland haben 30 Fahrtstunden im Bus auf sich genommen, um ein paar Ferientage im Saarland zu verbringen. Es scheint sich gelohnt zu haben. Sie fühlen sich hier in der Saarpfalz sichtlich wohl.

 Beim Mittagessen auf der Terrasse der Familie Keilbach. Von links Mihail Kottik, Anatoly Kottik, Sigrid Keilbach, Larissa Tschetschko und Herbert Keilbach. Foto: Wolfgang Degott

Beim Mittagessen auf der Terrasse der Familie Keilbach. Von links Mihail Kottik, Anatoly Kottik, Sigrid Keilbach, Larissa Tschetschko und Herbert Keilbach. Foto: Wolfgang Degott

Foto: Wolfgang Degott

Mit ihren glänzenden Augen, immer ein verschmitztes und freundliches Lächeln auf den Lippen, begegnen Anatoly und Mihail Kottik dem Zeitungsmann, ausgerüstet mit Kameratasche und Notizblock, auf der Terrasse der Familie Keilbach in Ommersheim. Keine Scheu ist zu sehen, nein, gleich springt der Funke über. Dass sie sich wohl fühlen bei ihren Gastgebern, wird schnell klar. Und das obwohl die Neunjährigen rund 1800 Kilometer und 30 Busreisestunden von zu Hause weg in einem fremden Land sind, von dem sie vorher noch nicht viel gehört haben. In Puchowitchi, wo sie herstammen, leben sie mit ihren Eltern und der jüngeren Schwester Anna zusammen. Das Dorf liegt in Weißrussland, rund 200 Kilometer westlich vom Unglücksmeiler Tschernobyl, der vor 27 Jahren eine verheerende Wolke auf die Reise schickte, die einen radioaktiven Strahlenteppich mit unsichtbaren Gefahren auf viele hunderte Quadratkilometer legte. Seit 1994 kamen fast 900 Kinder zur Sommererholung ins Saarland. Die eineiigen Zwillinge spielen gerne Fußball oder malen. Sie besuchen die Dorfschule und lernen dort auch Deutsch neben ihrer Muttersprache Weißrussisch und Russisch.

Von der ersten Minute an haben sie sich in der neuen Umgebung heimisch gefühlt, zumal mit ihnen auch eine Betreuerin, Larissa Tschetschko, Zuhause stellvertretende Kindergartenleiterin und seit 18 Jahren fast jährlich in dem Mandelbachtaler Dorf zu Gast, mit dabei ist. Das Trio gehört zu 19 neun- bis 13-jährigen Kindern und der weiteren Betreuerin Liusia Garbar, die auf Einladung des Vereins "Saarländische Kinderhilfe - Leben nach Tschernobyl" für drei Wochen in Gastfamilien untergebracht sind. Sowohl gemeinsam, als als auch mit ihren "Wahl-Eltern" erleben sie viel. So besuchten sie die Reithalle Körner in Altstadt, sahen sich den Ensheimer Flughafen an, verlebten einen Kindernachmittag auf dem Reiterhof Herresthal-Niederländer in Ormesheim, vergnügten sich auf dem Webenheimer Bauernfest oder besuchten den Europäischen Kulturpark Bliesbruck-Reinheim.

Auch zählen Besuche des Blieskasteler Schwimmbades zum abwechslungsreichen Urlaubsprogramm. "Sie sollen eine unbeschwerte Zeit verleben, sich erholen", meint "Gastmutter" Sigrid Keilbach. Sie ist wie ihr Mann seit fast 20 Jahren in der Kindererholung. Die Beiden haben in der Zeit schon 41 Maßnahmen begleitet und dabei 28 verschiedenen Kindern, mit denen sie heute teilweise noch sehr engen Kontakt pflegen, und die schon selbst Kinder in dem begegnungsfähigen Alter haben, eine vorübergehende Bleibe gegeben. "Anfangs waren unsere beiden Kinder Karina und Mathias mit dabei, die sich auch im Verein engagieren", so Herbert Keilbach. Die Jungs sind fröhlich und helfen gerne im Haushalt mit, decken den Tisch, räumen ab. Man merkt, dass sie Zuhause in diesem jungen Alter schon mit der Arbeit vertraut sind. Nach einem Schultag, der normalerweise bis 13 Uhr dauert, werden die kommenden Viertklässler in der Familie gebraucht, wartet Feldarbeit darauf, erledigt, oder die Schweine, Hühner versorgt zu werden.

"Wir machen einfach das, was Mama sagt", teilen sie in ihrem weißrussischen Dialekt mit. Nach dem Aufenthalt, der ihnen insbesondere eine Stabilisierung des Immunsystems bringen soll, werden sie mit Erinnerungen in die Heimat zurückfahren. Mit dabei wird auch ein Fotoalbum sein, das Herbert und Sigrid Keilbach wie bei allen Besuchen zuvor für ihre kleinen Gäste zusammengestellt haben. "So können sie ihren Eltern, Verwandten, Freunden und Bekannten nicht nur berichten, sondern auch zeigen, wie ihre Tage im Saarland waren."

saarlaendische-

kinderhilfe.de

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