Zoff um Zucker in Cola und Lebensmitteln

Dass Zuckriges zum Übergewicht beiträgt, ist irgendwie naheliegend. Und wer seinen Limo-, Cola- oder Saft- und Eisteekonsum deutlich eingeschränkt hat, wird festgestellt haben, dass dabei auch ein paar Pfunde verschwunden sind.Umso erstaunlicher mag es da erscheinen, dass sich die Wissenschaft bis heute schwertut, eindeutige Zusammenhänge zwischen Zuckrigem und Zivilisationsleiden zu finden

Dass Zuckriges zum Übergewicht beiträgt, ist irgendwie naheliegend. Und wer seinen Limo-, Cola- oder Saft- und Eisteekonsum deutlich eingeschränkt hat, wird festgestellt haben, dass dabei auch ein paar Pfunde verschwunden sind.Umso erstaunlicher mag es da erscheinen, dass sich die Wissenschaft bis heute schwertut, eindeutige Zusammenhänge zwischen Zuckrigem und Zivilisationsleiden zu finden. Für die Süßwaren- und Süßgetränke-Industrie in Deutschland mit einem Jahresumsatz von 12,5 Milliarden Euro im vergangenen Jahr ist diese Unsicherheit eine feine Sache. Bislang kann sie darauf hinweisen, dass es keineswegs wissenschaftlich eindeutig erwiesen sei, dass Zucker beziehungsweise Süßes überhaupt dick, geschweige denn krank mache. So ist auf der Internetseite des Bundesverbandes der Deutschen Süßwarenindustrie zu lesen: Der Konsum von Süßwaren sei "erwiesenermaßen nicht für die Entstehung von Übergewicht verantwortlich". Man beruft sich darauf, dass Übergewicht viele Ursachen hat und dass nicht eindeutig belegt werden könne, dass allein ein hoher Zuckerkonsum dick macht.

Tatsächlich zeigten Studien zum Ernährungsverhalten von Kindern, dass einzelne Lebensmittel wie zum Beispiel Süßwaren nicht eindeutig als Hauptursache mit Übergewicht in Zusammenhang gebracht werden können. Doch neue Studien bringen jetzt doch klare Ergebnisse. An Tausenden von US-Bürgern konnte mittlerweile gezeigt werden, dass Süßgetränke Menschen mit einer Veranlagung zum Übergewicht eher zunehmen lassen als Schlanke. Mediziner der Harvard-Universität in Boston haben die entsprechende Studie Ende vergangenen Jahres publiziert.

Wer gesund, schlank und fit ist, dessen Körper steckt eine hohe Zufuhr von Kalorien besser weg als ein Übergewichtiger. Haben sich bereits erhebliche Fettmengen im Bauchraum und vor allem in der Leber angesammelt, wird es allerhöchste Zeit, etwas zu verändern, um chronische Krankheiten zu verhüten. Weniger Zucker zu essen und vor allem zu trinken, ist dazu eine der besten Ideen. Eine Ernährung, die reich an Kohlenhydraten ist, die den Blutzuckerspiegel schnell steigen lassen, erhöht das Risiko für Darm- und Bauchspeicheldrüsenkrebs. Das zeigt eine aktuelle Studie, die eine Arbeitsgruppe von kanadischen und italienischen Wissenschaftlern im Januar veröffentlicht hat.

Zudem steigt mit dem Zucker- und Stärkegehalt im Essen das Risiko für Schlaganfälle sowie bei Übergewichtigen und bei Frauen allgemein für koronare Herzkrankheiten, wie chinesische Mediziner der Universität Peking jüngst berichtet haben. Vor allem der Konsum zuckergesüßter Getränke hat sich in den letzten Jahrzehnten erhöht. In den USA hat er sich seit den 1970er-Jahren mehr als verdoppelt. Sie sind dort inzwischen der größte Posten in der Zuckerzufuhr.

Professor Dr. David Ludwig und sein Team von der Kinderklinik der Harvard-Universität in Boston, USA, sind der Frage nachgegangen, welchen Einfluss süße Getränke auf die Gewichtsentwicklung von elf- und zwölfjährigen Kindern haben. Er errechnete, dass mit jedem zusätzlich verzehrten Softdrink das Körpergewicht steigt. Da er das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Kinder insgesamt in seiner Analyse berücksichtigte, wurde klar, dass der Konsum von süßen Erfrischungsgetränken einen eigenständigen Risikofaktor für Übergewicht darstellt. Normalerweise essen wir bei der nächsten Mahlzeit weniger, wenn wir zuvor schon reichlich Kalorien gefuttert haben. Bei flüssigen Kalorien funktioniert dieser Ausgleich jedoch nicht so gut. Zudem weiß man, dass die normalen Anpassungsmechanismen bei dicken Kindern und Erwachsenen ohnehin schlechter funktionieren. Bei normalgewichtigen Kindern im Alter von knapp fünf bis zwölf Jahren konnte gezeigt werden, dass sich Gewichtsanstieg und Fettansammlung im Lauf von 18 Monaten messbar vermindern, wenn zuckergesüßte durch kalorienfreie Getränke ersetzt werden.

Für eine kürzlich im British Medical Journal veröffentlichte Analyse waren alle wichtigen Studien zu der Frage ausgewertet worden, ob der Zucker im Essen das Gewicht steigen lässt. 30 Interventionsstudien, in denen man die Teilnehmer zu einer Änderung ihres Verhaltens anhielt, sowie 38 Beobachtungsstudien, in denen die Teilnehmer nur untersucht wurden, gingen in die Analyse ein. Bei Erwachsenen sank bei üblicher Ernährung das Körpergewicht im Mittel um 800 Gramm, wenn sie weniger Zucker aßen. Das Gewicht stieg um 750 Gramm, wenn sie mehr Zucker aßen. Diese Werte mögen mickrig wirken. Es handelt sich jedoch um Mittelwerte aus allen Studien, die teilweise nur zwischen zwei und sechs Wochen dauerten. Im Einzelfall können die Ergebnisse viel deutlicher sein. Beispielsweise fielen die Gewichtsveränderungen dreimal so groß aus, wenn nur Studien berücksichtigt werden, die mindestens zwei Monate lang liefen.

Die Autoren hatten auch errechnet, wie sich ein Austausch des Zuckers durch andere Kohlenhydrate wie zum Beispiel Stärke auswirken würde. Es fand sich kein günstiger Effekt auf das Gewicht. Bei Stärke, die etwa in Kuchen, Keksen, Brot oder Nudeln steckt, handelt es sich lange Ketten von Glukose. Die Stärke wird erst bei längerem Kauen in Zucker aufgespalten und schmeckt dadurch erst süß. Wer zu Übergewicht neigt, hat offensichtlich mit allen Kohlenhydraten ein Problem, nicht nur mit dem Zucker.

Der hohe Anteil an Fruchtzucker ist ein weiterer Grund, warum Softdrinks, aber auch süße Snacks immer mehr in die Kritik geraten. Gewöhnlicher Haushaltszucker, aber auch die in der Lebensmittelindustrie zunehmend verwendeten Glukosesirupe, die preiswert aus Maisstärke gewonnen werden können, bestehen rund zur Hälfte aus Fruchtzucker (Fruktose). Bei US-Teenagern, die viel Süßes essen und trinken, stammen bis zu 17 Prozent der täglich verzehrten Kalorien allein aus Fruktose. Der Begriff Fruchtzucker klingt zwar gesund, doch in großer Menge belastet er die Leber und veranlasst sie zu einer erhöhten Fettproduktion. Zudem steigt bei Männern mit zunehmendem Fruchtzuckerkonsum auch der Harnsäurespiegel und damit das Risiko für einen Gichtanfall.

Tatsächlich weist auch die Analyse im British Medical Journal zwischen den Zeilen darauf hin, dass ein hoher Fruchtzuckeranteil im Essen vor allem die innere Verfettung fördert, also die Verfettung der Leber, des Herzens, der Bauchspeicheldrüse und der Nieren. Genau dieses Fett erweist sich zunehmend als das schädlichste. Eine Studie, kürzlich vorgelegt von Wissenschaftlern der Universität Kopenhagen in Dänemark, vergleicht die Wirkung von gezuckerten Softdrinks sowie teilentrahmter Milch bei Erwachsenen. Bei gleichem Kaloriengehalt führt nur der Konsum der Softdrinks dazu, dass sich in den inneren Organen mehr Fett ansammelt. Mehr Fett in den Organen, insbesondere in der Leber, bedeutet ein höheres Risiko für ein Metabolisches Syndrom, womit das gleichzeitige Auftreten von Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Übergewicht und der Vorstufe von Diabetes bezeichnet wird. Zudem wächst die Gefahr von Folgeerkrankungen wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Problemen und manchen Krebsleiden.

Eine Untersuchung der Universität Yale in New Haven, USA, ergab zudem, dass der Konsum von Fruktose im Gehirn andere Reaktionen auslöst als der von Glukose, vor allem in Regionen, die mit der Sättigung, Belohnung und mit der Appetitsteuerung zu tun haben. So deuten Untersuchungen des Hirnstoffwechsels darauf hin, dass Fruchtzucker weniger sättigt als Glukose.

Trotz all dieser Erkenntnisse streitet die Zuckerindustrie bis heute weltweit und vehement mit den Gesundheitsorganisationen darüber, ob sich etwa eine Obergrenze für den Zuckerkonsum wissenschaftlich rechtfertigen lässt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät, nicht mehr als zehn Prozent der täglichen Kalorien in Form von Zuckrigem zu verzehren. Die Deutschen müssten ihren Zuckerkonsum dafür in etwa halbieren. Denn nach den Daten der repräsentativen Nationalen Verzehrstudie II, die das Max-Rubner-Institut, das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, durchgeführt hat, nehmen sowohl Männer als auch Frauen etwa die Hälfte ihres Kohlenhydrat-Konsums in Form von Zucker zu sich.

Männer verzehren durchschnittlich 19 Prozent ihrer täglichen Kalorien in Form von Zucker, die Frauen sogar 24 Prozent. Jede vierte von Frauen verzehrte Kalorie ist also eine Zuckerkalorie. Das findet auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung zu viel und mahnt daher zur Zurückhaltung.

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