Zehn kleine Geiger spielen "Bruder Jakob"

Kein Ballett, Maxi, Füße immer fest auf den Boden stellen", ermahnt Bernhard Hayo freundlich seine Schüler. Sieben Zweitklässler sitzen mit ihrem Musiklehrer in der Runde und üben, mit dem Bogen gleichmäßig über die tiefe G-Saite ihres Cellos zu streichen. Vor lauter Feuereifer und Konzentration haben sich bei einigen die Füße selbstständig gemacht

Kein Ballett, Maxi, Füße immer fest auf den Boden stellen", ermahnt Bernhard Hayo freundlich seine Schüler. Sieben Zweitklässler sitzen mit ihrem Musiklehrer in der Runde und üben, mit dem Bogen gleichmäßig über die tiefe G-Saite ihres Cellos zu streichen. Vor lauter Feuereifer und Konzentration haben sich bei einigen die Füße selbstständig gemacht. Während Hayo seine jungen Cellisten jetzt die D-Saite zupfen lässt, spielen rund zehn kleine Geiger im Klassenraum nebenan die ersten Takte von "Bruder Jakob". "Bei uns geht es gerade um Körperspannung, Körper- und Bogenhaltung", erklärt der Geigenlehrer Emmanuele Frisardi. Für 90 Schülerinnen und Schüler der Geislauterner Schlossparkschule heißt es drei Mal in der Woche: statt Lesen, Schreiben, Rechnen ran an die Instrumente und musizieren. Denn seit sechs Jahren gibt es dank der Initiative von Bernhard Hayo an dieser Grundschule unter dem Motto "Mit Geigen gegen Pisa" das so genannte Streicherprojekt. Das ermöglicht jedem Kind, vom ersten Schuljahr an das Spiel auf Geige, Bratsche oder Cello zu lernen. Auf den Dienstagmorgen freuen sich die Mädchen und Jungen immer ganz besonders. Denn da kommen vier externe Musiklehrer ins Haus, um jede der Klassen nacheinander je eine Stunde lang zu unterrichten. "Vicki, Vicki", ruft es der Geigenlehrerin Viktorija Psota schon entgegen, sobald sie den großen Musiksaal betritt. Doch für Ruhe im Getümmel sorgen muss hier erstaunlicherweise niemand. Geduldig stehen die 30 Zweitklässler gegen neun Uhr mit ihrem Instrument Schlange, um es den Lehrern zum Stimmen zu übergeben. Auch beim gemeinsamen Einspielen mit allen sind die Kinder ganz bei der Sache, beinahe so diszipliniert wie ein Profi-Orchester. Viele Finger schnellen in die Höhe, als Hayo fragt, wer ein paar Takte aus "Bruder Jakob" vorspielen kann. Auch im Kanon klappt das schon verblüffend gut. Und die Streicher haben im zweiten Jahr schon eine ganze Reihe mehr Lieder drauf. Als Bernhard Hayo das Streicherprojekt 2004 startete, war er damit bundesweit ein Pionier. Ob die Kinder auf Dauer mitziehen, dessen war sich Hayo selbst anfangs gar nicht so sicher. Doch kaum ein Schüler hat das Instrument wieder aus der Hand legen wollen. Was Hayo auch darauf zurückführt, dass das Üben gemeinsam in der Schule stattfindet. Das entlaste nicht zuletzt die Eltern von der leidigen Nachfrage: "Hast du heute schon geübt?" Etliche nehmen inzwischen sogar zusätzlich Privatunterricht, manche beginnen ein zweites Instrument. Ohne das Angebot der Schule, ist Hayo überzeugt, hätten 99 Prozent der Nachwuchs-Streicher nie ein Instrument gelernt. Auch weil es in der näheren Umgebung keine städtische Musikschule gibt."160 Kinder sind inzwischen durch das Projekt gegangen", sagt Hayo. Jedes Jahr steigen zwischen 20 und 30 Erstklässler neu ein. Zahlreiche berühmte Künstler, von Kent Nagano bis hin zu den "12 Cellisten" der Berliner Philharmoniker, haben Hayo und seinem Streicherprojekt schon gratuliert. Mit der Geigerin Anne-Sophie Mutter haben sich die Nachwuchsstreicher sogar einmal getroffen. 2008 haben sie die Auszeichnung als "Ort im Land der Ideen" erhalten und sind in Berlin aufgetreten. Zahlreiche Grundschulen bundesweit wie im Regionalverband sind dem Streicherprojekt mit der Einführung von Musikklassen gefolgt. Neben dem Bildungsministerium kümmert sich vor allem ein Förderverein darum, die Finanzierung des Projekts zu sichern. Doch um die Kosten für die externen Musiklehrer, die Instrumente, ihre Wartung, das Notenmaterial und sonstige Aktivitäten zu decken, sei man immer auch auf Sponsoren angewiesen, erklärt Hayo. Wegen der Rezession seien die aber immer schwieriger zu finden. Derzeit sei die Finanzdecke des Projekts gefährlich dünn. "Unser Erfolg ist unser Problem, wir haben immer mehr Kinder, die ein Instrument spielen wollen."

Auf einen BlickDas Streicherprojekt an der Grundschule Geislautern war im Sommer 2004 bundesweit das erste, in dem alle Schüler einer Klasse ein Streichinstrument lernen. Gleichzeitig begann an der Saarbrücker Max-Ophüls-Grundschule das von der städtischen Musikschule initiierte, vom Rotary Club gesponserte vierjährige Projekt "Sozialer Friede". Alle 37 Schulanfänger erhielten in Klasse eins und zwei musikalische Früherziehung, in Klasse drei und vier Instrumentalunterricht an der Musikschule. Im Saarbrücker Projekt "Kleine Streicher" an der Grundschule Am Ordensgut lernen, in Kooperation mit der Musikschule, seit 2007 alle Kinder eines Jahrgangs Geige oder Cello. Inzwischen sind sechs Klassen mit 150 Schülern dabei. sbu

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