Personalnot im Justizvollzug Zahl der Gefangenen steigt weiter an

Saarbrücken · Das Justizministerium zieht vorerst beim Personalabbau die Notbremse. Die Gewerkschaft sieht den Vollzug weiter „vor dem Kollaps“.

 627 Gefangene sitzen derzeit in der Saarbrücker Justizvollzugsanstalt Lerchesflur. Diese Zahl wurde zuletzt im Jahr 2014 erreicht.

627 Gefangene sitzen derzeit in der Saarbrücker Justizvollzugsanstalt Lerchesflur. Diese Zahl wurde zuletzt im Jahr 2014 erreicht.

Foto: BeckerBredel

Der dem Justizvollzug im Rahmen der Schuldenbremse ursprünglich verordnete Sparzwang, insbesondere beim Personal, beruht offensichtlich auf einer folgenschweren Fehleinschätzung von Gutachtern. Ursprünglich wurde der geplante Personalabbau mit der „allgemeinen demografischen Entwicklung“ begründet. Von der Landespolitik beauftragte Gutachter gingen dabei von einem Bevölkerungsrückgang zwischen 2007 und 2020 von über acht Prozent aus. Daraus leiteten sie entsprechende Einsparmöglichkeiten ab, die auch bereits weitgehend vollzogen wurden. Für den Strafvollzug im Saarland gingen die Wirtschaftsprüfer ursprünglich davon aus, dass ein Rückgang der Gefangenenzahlen die Schließung ganzer Abteilungen hinter Gittern ermöglicht, womit wiederum Personal hätte freigesetzt werden sollen. Weit gefehlt! Die Realität im Strafvollzug für Erwachsene im Saarland sieht anders aus.

Nach einer Aufstellung des Justizministeriums steigt die Zahl der Häftlinge in der Justizvollzugsanstalt (JVA) auf der Saarbrücker Lerchesflur wieder deutlich an. Aktuell (Stand März 2018) sitzen dort 627 Gefangene ein. Diese Zahl wurde zuletzt im Jahr 2014 erreicht. 2015 waren es 539 Häftlinge, 2016 dann 606 und im vergangenen Jahr 593 Gefangene (Stand jeweils im Oktober).

Jetzt zieht das Justizministerium offenbar die Notbremse. Der Personalbestand im Vollzug werde für 2018 konstant gehalten, erklärte Staatssekretär Roland Theis (CDU). Abordnungen von Beamten zu anderen Dienststellen sollen beendet werden. Das Personal werde dringend hinter Gittern der Saarbrücker Anstalt benötigt, denn: Während die Gefangenenzahlen steigen, sank die Personalstärke im Vollzugsdienst, von 392 Mitarbeitern im Jahr 2014 auf aktuell 368. Dazu kommt ein anhaltend hoher Krankenstand. Zwischen 13 und 16 Prozent der Beamten im allgemeinen Vollzugsdienst sind von Ärzten arbeitsunfähig geschrieben.

Bei der Generalversammlung der „Gewerkschaft Strafvollzug“ (Bund Saarländischer Justizvollzugsbediensteter BSJ) sagte Staatssekretär Theis kürzlich unter anderem: „Ein Rückgang der Zahl der Bediensteten im Justizvollzug erscheint unter diesen Bedingungen objektiv nicht mehr möglich.“ Auch Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat kürzlich zugesichert, sich persönlich von der Arbeitssituation des Personals hinter Gittern zu überzeugen und das Gespräch mit den Betroffenen zu suchen. Theis spricht von einem „massiven Anstieg der Gefangenen gerade in der JVA Saarbrücken“, einem Hochsicherheitsgefängnis. Weiter sagt er: „Hinzu kommen zahlreiche gesellschaftliche Entwicklungen wie Radikalisierung, Auswirkungen von Drogenmissbrauch oder Traumatisierung sowie eine gestiegene Gewaltbereitschaft, die im Vollzug mit voller Wucht auf unsere Bediensteten treffen.“ Nach SZ-Informationen sitzen in der Saarbrücker JVA derzeit Häftlinge aus 45 Nationen ein.

Während der Justizstaatssekretär für das laufende Jahr keinen weiteren Stellenabbau verspricht, sollen nach den bisherigen Planungen von 2019 bis 2022 bis zu 19 weitere Stellen reduziert werden. Diese Pläne werde das Justizministerium aber im Zuge der nächsten Etatverhandlungen „in Frage stellen“, kündigt Theis an.

 Justiz-Staatssekretär Roland Theis

Justiz-Staatssekretär Roland Theis

Foto: Saarland/M. Lutz/Lutz, Markus
 Markus Wollscheid, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Strafvollzug.

Markus Wollscheid, Landesvorsitzender der Gewerkschaft Strafvollzug.

Foto: Bund Saarländischer Justizvollzugsbediensteter

Die Gewerkschaft „Strafvollzug“ im Deutschen Beamtenbund, die im Saarland etwa 250 Mitglieder zählt und landesweit einen Großteil der etwa 480 Vollzugsbediensteten organisiert, fordert aktuell die Einstellung von 30 neuen Mitarbeitern und dann jährlich 18 Neueinsteigern. Ihr Landesvorsitzender Markus Wollscheid verweist unter anderem auf die in den kommenden Jahren anstehenden Pensionierungen von erfahrenen Vollzugsbeamten. Bis 2025 werden demnach 110 Beamte in den Ruhestand versetzt. Wollscheid begrüßte ausdrücklich, dass das Beförderungsbudget im Vollzugsbereich um 30♦000 Euro erhöht wurde. Seine Kernforderung an die Landespolitik: „Es muss ein Konzept her, um den Vollzug vor dem Kollaps zu bewahren!“

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