Trickbetrug im Saarland Zahl der Enkeltrick-Fälle fast verdreifacht

Saarbrücken · Allein von Januar bis Mai dieses Jahres haben Betrüger saarländischen Senioren eine sechsstellige Summe abgeluchst.

 Beim geringsten Misstrauen rät die Polizei, einfach aufzulegen.

Beim geringsten Misstrauen rät die Polizei, einfach aufzulegen.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Die hinterhältige Betrugsmasche ist 20 Jahre alt – aber funktioniert nach wie vor erschreckend gut: Am vergangenen Wochenende sind eine 87-jährige Frau aus Homburg und eine 86-jährige Saarlouiserin Opfer des Enkeltricks geworden. Beide Seniorinnen händigten unbekannten Betrügern Bargeld und Schmuck im Wert von jeweils 10 000 Euro aus, wie Georg Himbert, Sprecher des Landespolizeipräsidiums, unserer Zeitung bestätigte. Zwei Taten, die für die Opfer existenzielle Folgen haben können. Und beileibe nicht die einzigen dieser Art im Saarland sind.

Die Zahl der Enkeltrick-Fälle, bei denen es organisierte Verbrecher mittels Trickanrufen auf das Bargeld oder den Schmuck von Senioren abgesehen haben, hat sich in den vergangenen Jahren im Saarland fast verdreifacht. Wurden der Polizei 2014 noch 87 Fälle (darunter sechs Vollendungen der Tat) gemeldet, waren es 2017 ganze 206 Betrugsversuche (darunter fünf Vollendungen, Gesamtschaden: 184 500 Euro). Und auch in diesem Jahr ebbt der Trend nicht ab: Bis zum Monat Mai sind bereits 46 Anzeigen bei der Polizei eingegangen (darunter sieben Vollendungen, Schaden: 142 800 Euro). Krassester Fall im April dieses Jahres, der zur Anzeige kam: Eine 73-Jährige aus dem Landkreis Saarlouis, die Unbekannten 48 000 Euro ausgehändigt hat, weil sie dachte, ihre Schwiegertochter am Telefon zu haben, die dringend Geld für eine Immobilie benötigt. Himbert: „Immerhin bleibt es in den allermeisten Fällen bei Betrugsversuchen. Wir vermuten aber, dass die Dunkelziffer der Geschädigten sehr viel höher ist. Viele ältere Menschen trauen sich aus Scham ihrer Familie gegenüber nicht zuzugeben, dass sie auf Betrüger reingefallen sind. Sie verschweigen lieber, dass sie Opfer geworden sind.“

Die Masche der Täter ist – bis auf geringe Abwandlungen – immer gleich: Sie sitzen in Osteuropa, suchen im Telefonbuch nach alt klingenden Vornamen wie Adelheid oder Sissi und rufen ihre potenziellen Opfer, meist Frauen, in akzentfreiem Deutsch an. Sie täuschen vor, ein naher Verwandter oder Bekannter zu sein. Mit Sätzen wie „Hallo, ich bin’s. Rate mal, wer hier ist!“ oder „Wer glaubst du, ist dran?“ leiten sie das Gespräch ein und kommen schnell zum Punkt: Wegen einer Notlage oder einem finanziellen Engpass werde äußerst dringlich Geld gebraucht. Oft setzen die Täter die alleinstehenden Opfer dabei mit mehreren Anrufen unter Druck. Sobald das Opfer zahlen will, kommt der Komplize ins Spiel: Ein Bote wird den Senioren angekündigt, der das Geld abholt und später auch ins Ausland zu den Drahtziehern bringt. Nicht selten ruft der Täter sogar ein Taxi, wenn das betagte Opfer den Weg nicht mehr zu Fuß zur Bank bewältigen kann. Die zunehmende Professionalisierung der Täter erschwert den Ermittlern die Arbeit. Immer häufiger nutzen die Verbrecher zum Beispiel Internettelefonie anstelle von Mobiltelefonen: Die Anrufe zurückzuverfolgen, wird damit fast unmöglich.Und: Die Anrufer wechseln Ermittlern zufolge alle paar Tage ihren Einsatzort, um es der Polizei schwerer zu machen.

Leider mit Erfolg: Nur zwei Mal konnte die Saar-Polizei in den vergangenen Jahren die Geld-Kuriere bei ihrer Mission Enkeltrick noch vor Vollendung der Tat festnehmen. Ansonsten muss Georg Himbert von „sehr dürftigen“ Fahndungserfolgen sprechen. Der Grund: Die Hintermänner sitzen in der Regel in Polen, das Verhindern dieser Form von Betrügerei erfordere einen „sehr hohen Ermittlungs- und Personalaufwand, der fast nicht leistbar ist“.

Doch manchmal gelingt der Zugriff: 2016 gingen der polnischen Polizei 20 Trickbetrüger in Danzig, Breslau, Posen und Krakau ins Netz. Sie alle sollen in einem familiären Verhältnis zueiander stehen und dem Klan von Arkadiusz L. angehören. Er gilt als „Pate des Enkeltricks“ und soll die Masche in den 90er Jahren in Hamburg erfunden und später damit in Polen ein regelrechtes Geschäft mit firmenartigen Strukturen aufgezogen haben. Polnische Ermittler jagen ihn seit Jahren regelmäßig mit Haftbefehlen, doch ihm gelingt es immer wieder, sich mit Kautionszahlungen und Attesten der Justiz zu entziehen.

Sein Sohn Marcin hingegen konnte im Januar dieses Jahres vom Landgericht Hamburg verurteilt werden. Er soll Hintermann einer „international agierenden Bande“ gewesen sein, die von Polen aus in Deutschland und Luxemburg Senioren systematisch betrogen hat. Die Beweisaufnahme zeigte, dass die Opfer weder leichtgläubig noch fahrlässig gehandelt hätten, vielmehr, schreibt der „Spiegel“, seien sie mit „eingespielten Abläufen“ eines kriminellen Netzwerks konfrontiert gewesen, dessen Fäden bei Marcin zusammenliefen.

Angesichts der Professionalität der Betrüger setzt die Polizei vor allem auf Prävention in Sachen Enkeltrick. So hängen zum Beispiel gut sichtbar in einigen saarländischen Banken mittlerweile große Plakate des Landespolizeipräsidiums mit einer Warnung vor der Enkeltrick-Masche. Auch, damit Senioren sich – vielleicht noch kurz bevor sie eine große Summe für den vermeintlichen Verwandten in Not abheben – eines Besseren besinnen.

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