Prozess gegen Terror-Verdächtigen aus Burbach Wollte ein Friseur die IS-Terroristen betrügen?

Saarbrücken · Wegen Terror-Verdachts steht ein Burbacher vor Gericht. Aus Sicht der Richter könnte der Friseur kein Terrorist, sondern ein Betrüger sein.

 Vor dem Saarbrücker Landgericht begann Ende Juni der Prozess gegen den Syrer wegen mutmaßlicher Anschlagspläne. Im Bild: Der Angeklagte mit seinem Rechtsanwalt Marius Müller.

Vor dem Saarbrücker Landgericht begann Ende Juni der Prozess gegen den Syrer wegen mutmaßlicher Anschlagspläne. Im Bild: Der Angeklagte mit seinem Rechtsanwalt Marius Müller.

Foto: BeckerBredel

 Manchmal wäre es vor Gericht hilfreich, wenn man in den Kopf der Angeklagten hineinschauen könnte. Dann wäre die Suche nach der Wahrheit einfacher und man wüsste aus eigener Anschauung, ob jemand etwas richtig Böses vorgehabt hat – oder nicht.

So wie im Fall eines 39 Jahre alten Syrers aus Saarbrücken-Burbach.

Der Friseur muss sich seit Ende Juni vor dem Landgericht wegen Terrorverdachts verantworten. Aber der Mann aus Damaskus könnte auch nur ein Schwindler sein, der sich für vorgegaukelte Anschläge bezahlen lassen wollte. Also jemand, der sich nicht der versuchten Beteiligung am mehrfachen Mord, sondern lediglich des versuchten Betruges schuldig gemacht hat. Auf diese Möglichkeit hat das Landgericht gestern am siebten Prozesstag hingewiesen. Prozessbeobachter sehen darin ein  Signal darauf, wie das Urteil der Richter demnächst aussehen könnte – vorbehaltlich der Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung am kommenden Donnerstag.

Laut Anklageschrift soll der als Flüchtling anerkannte Mann zum Jahreswechsel 2017 mit sprengstoffgefüllten Autos Terror-Anschläge in Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden geplant haben. Zur Finanzierung habe er sich via Internet und Telefon an einen vermeintlichen Kontaktmann der IS-Terrormiliz gewandt und diesen aufgefordert, ihm 180 000 Euro zur Finanzierung der Autos und des Materials zu geben. Aber der vermeintliche IS-Kontakt war ein Gegner der Terromiliz und informierte die Polizei. Der syrische Friseur aus Damaskus, der seit Ende 2014 in Deutschland lebt, wurde daraufhin am Silvestermorgen in seiner Wohnung in Burbach festgenommen und kam in Untersuchungshaft. Er betont seitdem, dass er keine Terror-Anschläge geplant habe. Er habe mit dem IS und mit Religion nichts am Hut. Er habe nur dringend Geld für seine Familie gebraucht. Deshalb habe er versucht, Geld zu bekommen.

Welche dieser beiden Varianten stimmt? So lange man nicht in den Kopf des Angeklagten sehen kann, ist die Antwort darauf schwierig. Also mussten die Richter auf der Suche nach der Wahrheit Punkt für Punkt alle belastenden und entlastenden Zeugenaussagen, Indizien und Beweise abarbeiten. Für den Anklagevorwurf und damit für den Terror-Verdacht spricht danach in erster Linie ein Gedanke. Nämlich der Gedanke, dass niemand die Terror-Miliz IS betrügen dürfte, dessen Familie zum Teil in Syrien und damit im direkten Einflussbereich des IS lebt.

Für den Terrorverdacht könnte auch die Kommunikation des Angeklagten mit dem vermeintlichen IS-Kontaktmann via Internet oder Handy sprechen. Diese ist umfassend dokumentiert. Es ist viel von Gott, Dschihad und toten Ungläubigen die Rede. Der Angeklagte gibt sich als Teil einer Gruppe von jugendlichen Kämpfern für den Heiligen Krieg aus. Sie wollen Autos mit Sprengstoff beladen und in Berlin, Stuttgart, München, Essen und Dortmund sowie an Orten in anderen Ländern in Menschenmengen fahren. Eine „dschihadistische Aktion, wie sie Gottes Welt noch nicht gesehen hat“, mit „mehr als 1000 Toten“. Die Kämpfer, darunter auch eine junge Frau, hätten ihre Familien bereits verlassen und seien bereit. Aber es fehle an Geld für die Autos und den Sprengstoff. Sie hätten es sich schon vom Essen für ihre Kinder abgespart. Aber es reiche einfach nicht. Immer drängender wurden die Anfragen des Angeklagten.

Aber konkrete und greifbare weitere Anhaltspunkte für die angeblich unmittelbar bevorstehenden Anschläge ergaben sich in der mehrtägigen Beweisaufnahme bislang nicht, so das Gericht. Es wurden keine möglichen Mittäter, keine möglichen Tatautos und kein Sprengstoff gefunden. Obwohl die Zeit angeblich drängte, gebe es keine Hinweise auf eine entsprechende Planung von Anschlägen. Deshalb, so das Zwischenfazit der Richter, könnte der Angeklagte die 180 000 Euro für die Terror-Anschläge auch gefordert haben, ohne solche Anschläge vorgehabt zu haben. Das wäre unter Umständen ein versuchter Betrug zum Nachteil des vermeintlichen Kontaktmannes der IS-Terrormiliz. Bei einer Verurteilung wegen dieses Deliktes droht dem Angeklagten zwar eine Haftstrafe. Diese könnte aber unter Umständen zur Bewährung ausgesetzt werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort