"Wohin geht der Nahe Osten?"

Losheim am See. Wohin geht der Nahe Osten und die gesamte arabische Welt? Dieser Frage widmete sich das 23. Sparkassenforum, das am Freitagabend in der Losheimer Eisenbahnhalle stattfand. Eine Frage, die nicht nur anlässlich der jüngsten Ereignisse in Syrien und Gaza hochaktuell ist und offenbar viele beschäftigt. Denn nur wenige Stühle in der Halle blieben unbesetzt

Losheim am See. Wohin geht der Nahe Osten und die gesamte arabische Welt? Dieser Frage widmete sich das 23. Sparkassenforum, das am Freitagabend in der Losheimer Eisenbahnhalle stattfand. Eine Frage, die nicht nur anlässlich der jüngsten Ereignisse in Syrien und Gaza hochaktuell ist und offenbar viele beschäftigt. Denn nur wenige Stühle in der Halle blieben unbesetzt. Immerhin war es der Sparkasse Merzig-Wadern gelungen, Antonia Rados für das Forum zu gewinnen. "Eine authentischere und glaubwürdigere Expertin hätten wir für dieses komplexe Thema nicht finden können. In der Vergangenheit haben sie sich Respekt und Anerkennung mit ihrer präzisen Krisenberichterstattung verdient", betonte der Sparkassen-Vorstandsvorsitzende Frank Jakobs zu Beginn der Veranstaltung und fügte hinzu: "Wir freuen uns auf ihre Ausführungen zu der Gegend der Welt, die zum gefährlichsten Krisenherd der vergangenen rund 70 Jahre geworden ist und in der die kulturelle Wiege der Menschheit liegt."Auch wenn Revolution in unseren Augen oftmals negativ besetzt sei, sie sei manchmal notwendig, sagte Antonia Rados eingangs ihres gut einstündigen Vortrags. Eine Revolution sei nämlich immer dann angebracht, wenn alles stehen geblieben sei, erläuterte sie mit Verweis auf die Ereignisse im Nahen Osten, wo seit Jahresbeginn 2011 eine Revolution nach der anderen losbricht. Unter der "alten Garde" der Despoten wie Gaddafi, Mubarak und Assad habe sich die arabische Welt über Jahrzehnte im Stillstand befunden. Die Diktatur dieser Militärs habe sich durch Korruption und anti-islamisches Verhalten immer weiter von der Bevölkerung abgegrenzt, erklärte Rados und nannte einige Zahlen, um die Situation der Menschen im Nahen Osten zu verdeutlichen. "Die arabische Welt ist eine Region, die eine Sprache spricht und in der fast alle die gleiche Religion haben. 98 Prozent sind Moslems. Dreiviertel der Menschen im Nahen Osten sind unter 30, ein Drittel, also rund 65 Millionen Menschen, sind Analphabeten. Und das in einer der reichsten Ölregionen der Welt", so die Nahost-Expertin, die anschaulich berichtete, wie der Einzug moderner Kommunikationsmittel dafür verantwortlich war, dass die Bevölkerung auf die Straße ging und gegen die "alte Garde" demonstrierte.

Handy, Internet und Satellitenfernsehen hätten zunächst zu einer digitalen, und dann zu einer echten Revolution geführt. "Die jungen Menschen konnten in TV-Sendern wie Al Jazeera sehen, was die Welt zu bieten hat und waren mittels Internet, Handys und vor allem Facebook dazu in der Lage, ihre Demonstrationen zu organisieren. Die alten Herrscher konnten diese neuen Technologien nicht kontrollieren. Die junge Generation hat die arabische Welt dramatisch verändert", betonte Rados, die auch auf die Rolle islamischer Organisationen einging, die derzeit sämtliche Wahlen im Nahen Osten gewinnen. In Zeiten der Unterdrückung seien diese Organisationen auch wegen ihrer sozialen Tätigkeit ein Halt für die Menschen gewesen. Durch ihr jahrzehntelanges Wirken im Untergrund seien sie gut organisiert und zudem stets flexibel, um "auf die Sprache der Jugend zu hören." Es stelle sich die Frage, ob es zu einer zunehmenden Radikalisierung im Islam komme. Aber nur islamische Parteien seien derzeit dazu in der Lage, dort für Stabilität zu sorgen. "Es gibt keine Alternative."

Es werde noch Jahre dauern, bis sich zeigen werde, ob sich im Nahen Osten eher radikal-islamische Vertreter durchsetzen oder ein gemäßigter Islam. Gefragt nach der Zukunft dieser Region antworte sie stets: "Erfahrene Propheten warten die Ereignisse einfach ab." Foto: Manfred Müller

"Die junge Generation hat die arabische Welt dramatisch verändert."

Antonia Rados

Hintergrund

Im Irak-Krieg 2003 gewann die promovierte Politologin Antonia Rados (59) die Aufmerksamkeit eines großen Publikums, als sie für RTL und n-tv live aus Bagdad berichtete. Sie erhielt unter anderem den Deutschen Fernsehpreis und dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis. pra

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