Karl-Marx-Jahr 2018 „Wir sind Marx“

Trier · Von der Weinprobe bis zum Musical: Trier will im Karl-Marx-Jahr alle Leute ansprechen.

 Koordinator für das Begleitprogramm des Karl-Marx-Jahres 2018: Rudolf Hahn.

Koordinator für das Begleitprogramm des Karl-Marx-Jahres 2018: Rudolf Hahn.

Foto: Rudolf Hahn/privat

Seit diesem Jahr hat die Stadt Trier einen Kultur- und Tourismusdezernenten, der aus dem Saarland stammt: Thomas Schmitt (CDU). Er trägt die Hauptverantwortung für das, was 2018 in Sachen Karl Marx auf die Bürger zurollt. Und das ist eine Riesenwelle, nicht nur die große Landesausstellung „Karl Marx 1818–1883. Leben. Werk. Zeit“, sondern auch ein üppiges Jubiläumsprogramm mit mehr als 300 Veranstaltungsterminen.

Und dafür ist ebenfalls ein Saarländer zuständig: Rudolf Hahn, der früher in Saarlouis und dann in Trier die Volkshochschule leitete. Er sagt: „Die Figur Karl Marx braucht mehr Vermittlung.“ Mehr Vermittlung als Konstantin und Nero, mit denen Trier in den Jahren 2007 und 2016 Rekordbesucherzahlen erzielte. Der eine gilt als Lichtgestalt, der andere als Oberschurke – die römischen Kaiser ließen sich in der Antikenstadt Trier also pointiert verkaufen. Doch Marx schillert. Für die Immernoch-Fans des Sozialismus ist er das Superbrain, der Vordenker und Held, für die Konservativen der Quell allen staatsdiktatorischen Übels linker Provenienz. 2018 jährt sich sein Geburtstag am 5. Mai zum 200. Mal. Und die erzkatholische Stadt, die lange Zeit mit dem in Trier geborenen Marx fremdelte, „feiert“ ihn nun in ähnlicher Weise, macht Marx zum kulturellen Leitthema des nächsten Jahres. Nach dem Modell der Ausstellungs-Großprojekte „Konstantin“ und „Nero“ wurde auch die Landesausstellung „Karl Marx 1818–1883. Leben. Werk. Zeit“ konzipiert, die in den zwei großen Museen der Stadt unterschiedliche Themenfelder beleuchtet. Gezeigt werden 400 Exponate auf einer Gesamtfläche von rund 1600 Quadratmetern. Das Budget: 5,1 Millionen Euro, 1,5 Millionen davon kommen vom Bund. Für all dies wurde eine Ausstellungs-GmbH gegründet. Hahn ist für das Begleitprogramm zuständig. Denn ergänzend zur zweigleisigen Landesausstellung werden noch etwa 20 weitere Ausstellungsprojekte laufen, etwa „Geldrausch. Make money great again!“ in der Tufa. Oder „LebensWert Arbeit“ mit zeitgenössicher Kunst im Museum am Dom des Bistums Trier. Zudem wird die Dauerausstellung im Karl-Marx-Geburtshaus gänzlich neu konzipiert.

Doch genug ist in diesem Fall nicht genug, meinten die Karl-Marx-Programm-Macher und sprachen alle Kulturinstitutionen an. „Wir wollten das Thema nicht nur intellektuell angehen, wir wollten allen Menschen einen Zugang ermöglichen, es zu den Bürgern und Besuchern bringen“, sagt Hahn. Zwischenzeitlich stehen etwa 300 Einzelveranstaltungen auf seiner Liste. Die Spannbreite ist enorm, von der Marx-Weinprobe bis zum Marx-Musical, das einer der „Prinzen“ schreibt, bis hin zu 16 Ringvorlesungen und hochrangigen Kongressen, etwa mit dem international gelobten Marx-Biografen Gareth Stedman Jones. Auch soll der Wettbewerb „Wilde Lieder – Marx Music“ weltweit Komponisten animieren, oder die freie Szene einen Open Space mitten in der Stadt bespielen („Kunstrasen“). Was all das kostet, kann Hahn nicht sagen; es kommt aus vielen Fördertöpfen, die die Veranstalter selbst anzapfen. Diese Fülle war 2015, als Hahn den ersten „Runden Tisch“ veranstaltete, nicht absehbar. „Das Ganze hat eine enorme Eigendynamik entwickelt“, sagt er, „Alle wollten plötzlich mitmachen“.

Wer freilich nicht mitmachen wollte bei der großen Marx-Sause, sind die Saarländer. „Wir sind aus dem Saarland nicht vermehrt angesprochen worden“, sagt Hahn. Läge das Thema Industrialisierung, das man etwa im Völklinger Weltkultur­erbe oder in der Stiftung Kulturbesitz ko-inszenieren könnte, nicht auf der Hand, zumal der rheinland-pfälzische Kultursommer 2018 unter der Flagge Industriekultur laufen wird? Lediglich eine Ringvorlesung ist in der Völklinger Hütte geplant und zwei freie saarländische Gruppen, zu denen Hahn persönliche Kontakte hat, steuern in Trier etwas bei.

Insgesamt fährt Trier bei der Marx-Begleitmusik also ein kleinteiliges Konzept. Das Plakative, Prominente, Provokante, worauf vor allem Touristen reagieren, braucht die Stadt wohl nicht. Schon jetzt rollen jährlich rund fünf Millionen Touristen an, sind Hotelbetten in der Hauptsaison Mangelware. „Die Hotels in der Stadt werden 2018 ausverkauft sein“, prophezeit Hahn. Größere Gruppen müsse man bereits jetzt im Umland unterbringen, Aufwüchse seien höchstens noch beim Tages- und Bustourismus drin. Wozu dann die ganze Mühe?

Die Stadt möchte langfristig profitieren. Die Karl-Marx-Flamme soll nicht nur 2018 brennen, sondern Teil des Stadt-Images werden. Laut Hahn denkt man deshalb an die Verstetigung bestimmter Abendprogramm-Angebote, etwa einer Marx-Revue, die ganzjährig laufen könnte und Übernachtungsanreize insbesondere für die Nebensaison schaffen würde.

 Karl Marx, Friedrich Engels und die Töchter Jenny, Eleanor und Laura Marx im Jahr 1864.

Karl Marx, Friedrich Engels und die Töchter Jenny, Eleanor und Laura Marx im Jahr 1864.

Foto: International Institute of Social History (Amsterdam)/International Institute of Social History Amsterdam
 Auch diese Karl-Marx-Geschenkbox gibt es zu kaufen.

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Foto: Svenja Pütz

Lukrativ könnte sich das neue Image für den chinesischen Markt erweisen. 50 000 Chinesen pilgern bereits jetzt jährlich zu Marx, und die chinesische Regierung rüstet angeblich ideologisch auf. Bildungs-Exkursionen zum Stammvater passen ins Konzept, und die chinesische KP hat 88 Millionen Mitglieder. Doch ob 2018 nennenswert größere Effekte eintreten, das entscheidet nicht die Attraktivität des Trierer Angebotes: „Alles hängt von der Visapolitik der chinesischen Regierung ab“, so Hahn.

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