"Wir brauchen mehr Vorbilder wie Prinz Claus"

Herr Dr. Hofmann, Robert Enke war beruflich erfolgreich und hatte eine Familie: Warum wird jemand depressiv?Hofmann: Eine Depression hat meist mehrere Ursachen. Es gibt körperliche, wie Hormon- oder Schilddrüsenerkrankungen

Herr Dr. Hofmann, Robert Enke war beruflich erfolgreich und hatte eine Familie: Warum wird jemand depressiv?Hofmann: Eine Depression hat meist mehrere Ursachen. Es gibt körperliche, wie Hormon- oder Schilddrüsenerkrankungen. Die so genannten endogenen Depressionen ohne äußerlich erkennbare Ursache werden durch Störungen der Botenstoffe Noradrenalin und Serotonin im Gehirn ausgelöst. Als drittes gibt es Depressionen, die durch äußere Ereignisse, meist Verlusterfahrungen, zum Beispiel des Arbeitsplatzes, oder den Tod eines Kindes, ausgelöst werden. Doch nicht jeder, der so einen Schicksalsschlag erlebt, wird deswegen depressiv.Was macht hierbei den Unterschied zwischen einem Depressiven und einem Gesunden aus?Hofmann: Die Systeme im Gehirn sind nicht bei jedem gleich. Die Genetik erklärt allerdings nicht alles. Das haben Studien mit eineiigen Zwillingen gezeigt, die nur zu 40 Prozent erkrankten, obwohl der Zwilling depressiv war. Die Depression ist also keine Erbkrankheit. Sie ist multikausal bedingt. Auch entwicklungspsychologische Faktoren, fehlende Unterstützung und Entbehrungen im Kindesalter spielen eine Rolle. Wie wird eine Depression am besten behandelt?Hofmann: Es gibt sehr unterschiedliche Ausprägungen der Krankheit. Bei einer leichten Depression, wenn der Patient seinen Alltag noch bewältigen kann, ist eine Psychotherapie die Wahl. Bei schweren Depressionen führt nur eine Kombination aus medikamentöser Behandlung und Psychotherapie zum dauerhaften Erfolg. Schlafentzug oder Bestrahlung mit sehr hellem Licht können wirksam sein. Bei den schwersten Fällen kann auch Magnetstimulation oder Elektrokrampfbehandlung (früher Elektroschocks) helfen. Ist Depression heilbar?Hofmann: Die Prognose ist sehr gut, nur bei fünf bis sieben Prozent der Erkrankten wird eine Depression chronisch, d.h. sie dauert länger als zwei Jahre. Das Rückfallrisiko ist aber relativ hoch, deshalb ist eine langfristige Behandlung erforderlich. Warum wird die Krankheit immer noch tabuisiert?Hofmann: Depression ist nicht mehr so ein starkes Tabuthema, weil sie mit etwa 20 Prozent der Bundesbürger zur Volkskrankheit nach den Bluthochdruckerkrankungen aufgestiegen ist. Trotzdem schämen sich viele Betroffene, weil diese Krankheit sich stärker auf die Person bezieht als andere. Die Patienten machen sich selbst Vorwürfe und wollen nicht als schwache Persönlichkeiten dastehen. Was könnte da helfen?Hofmann: Wir bräuchten hierzulande mehr Vorbilder, die öffentlich über ihre Erkrankung reden. So wie der holländische Prinz Claus, der in den 80ern durch sein Bekenntnis zu der Krankheit in den Niederlanden eine regelrechte Outingwelle unter Prominenten ausgelöst hat.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort