Tierschutz Windräder bedrohen Fledermäuse

Saarbrücken/Bingen · Die Rotorblätter von Windrädern können Fledermäuse töten. Um das Risiko zu minimieren, müssten die Anlagen zu bestimmten Zeiten stillstehen. Nicht jeder hält das für sinnvoll.

 Vor allem für Wanderarten wie die Rauhautfledermaus stellen Windkraftanlagen ein tödliches Risiko dar.

Vor allem für Wanderarten wie die Rauhautfledermaus stellen Windkraftanlagen ein tödliches Risiko dar.

Foto: Patrick Seeger/dpa/Patrick Seeger

Länge und Tonlage des Schreis verraten den Verursacher. Frank Adorf und sein Kollege Carsten Braun vom Büro für Faunistik und Landschaftsökologie in Bingen kennen sie alle – sei es die Mopsfledermaus, Rauhautfledermaus oder der Kleinabendsegler. Die Biologen erstellen Gutachten zu Fledermaus-Monitorings an Windkraftanlagen. Das ist nicht ganz einfach, denn die Tiere sind nachts unterwegs und kommunizieren in für Menschen nicht hörbaren Tonlagen. Basis für die Gutachten sind Aufnahmen von Geräuschen von in luftiger Höhe an Windkraftanlagen befestigten Rekordern.

Beauftragt werden solche Sachverständige von Anlagenbetreibern. Die Gutachten sind verpflichtender Teil des Genehmigungsverfahrens. Die Experten prognostizieren, wie groß das Risiko an einem bestimmten Standort ist, dass Fledermäuse zu Tode kommen. Letztlich legen sie Zeiten fest, an denen eine Anlage aus artenschutzrechtlichen Gründen stillstehen soll. Für die Betreiber ist das nicht immer erfreulich, kürzere Laufzeiten bedeuten weniger Erträge.

Es sei dennoch nicht sinnvoll, weniger strikte Sachverständige zu suchen, sagt Felix Wächter, Sprecher des Wörrstädter Energiespezialisten Juwi. „Ziel ist immer ein rechtssicherer Betrieb.“ Grundsätzlich seien Genehmigungen viel komplexer als früher. Einst seien nur einige Seiten nötig gewesen, mittlerweile brauche es hunderte Seiten an Unterlagen.

Auch im Saarland stellen gerade die großen Rotorblätter der Windparks für verschiedene Fledermausgattungen ein erhöhtes Risiko dar. „Besonders betroffen sind die Wanderarten, wie etwa der Große Abendsegler und der Kleine Abendsegler“, erklärt Biologin Christine Harbusch von der Aktion „Fledermaus freundliches Saarland“. Aber nicht nur diese Arten sind im Fokus der Gutachter, wenn eine Windkraftanlage geplant wird. „Vor allem in Laubwäldern ist der Bau von Windanlagen problematisch“, sagt die Biologin. „Fledermäuse lassen sich vor allem am Waldrand in der Nähe von Wiesen nieder, wegen der Insektenvielfalt“, führt Harbusch aus. „Wenn jetzt eine Fläche gerodet wird zugunsten eines Windparks, dann entsteht ein unnatürliches Randgebiet, in dem sich die Tiere ansiedeln.“ Dadurch besteht dann auch für Fledermausarten, die im Laubwald heimisch sind, das Risiko getötet zu werden.

Für das Monitoring werden die Aufnahmegeräte am hinteren Ende der Gondel untergebracht. An diesem Teil einer Windkraftanlage sind auch die Rotorblätter angebracht. Die Geräte lauschen in der Regel nach der Inbetriebnahme zwei Jahre lang von März bis November, wie der Biologe Adorf erklärt. Tagsüber muss für ein paar Stunden der Akku aufgeladen werden, dann schlafen Fledermäuse aber ohnehin. Im Einsatz sind die Rekorder, die für den Menschen größtenteils nicht hörbare Frequenzen zwischen etwa 15 und 150 Kilohertz aufzeichnen, seit ungefähr zehn Jahren. Davor habe man am Boden unter Anlagen nach Schlagopfern gesucht, also getöteten Tieren, berichten Adorf und Braun. Nun lieferten die Aufnahmen belastbare und lückenlose Erkenntnisse über längere Zeiträume. Das habe auch die Sensibilität der Windkraftbranche für das Thema erhöht.

Wie aktiv Fledermäuse des Nachts sind, hängt unter anderem von Wind und Temperatur ab. Oft werden Windräder kurz vor Sonnenuntergang und bis kurz nach Sonnenaufgang bei Windgeschwindigkeiten von bis zu sechs Metern pro Sekunde und Temperaturen ab zehn Grad abgeschaltet. Bei stärkerem Wind und kühleren Werten sind die Tiere eher nicht unterwegs. „Daher ist ein Monitoring während der Winterzeit weniger sinnvoll“, erklärt die Biologin Harbusch.

Charlotte Reutter vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in Rheinland-Pfalz sagt, Windräder könnten mit Abschaltzeiten „sehr fledermausfreundlich“ betrieben werden. Diese Einschätzung teilt auch Harbusch. „Über das gezielte Abschalten der Anlagen lassen sich die Todesraten der Fledermäuse um 80 bis 90 Prozent reduzieren“, sagt sie. Allerdings werde von den unteren Naturschutzbehörden nicht immer wirklich kontrolliert, ob die Vorgaben eingehalten werden. Sie wünscht sich nach dem Monitoring weitere spätere Prüfungen.

Harry Neumann von der Naturschutzinitiative gibt auch zu bedenken, dass Rotorflügel heutiger Windräder so groß seien, dass die Rekorder nicht mehr auf der ganzen Länge Tierschreie erfasst könnten. Zudem gebe es Fledermausarten, die auch bei höheren Windgeschwindigkeiten als sechs Metern pro Sekunde und Temperaturen von unter zehn Grad fliegen. „Fledermäuse können nur wirksam geschützt werden, wenn in ihren Lebensräumen keine Windenergieanlagen errichtet werden“, sagt Neumann. Abschaltzeiten seien weder wirksam noch würden sie systematisch überprüft, auch wegen fehlenden Personals in den Genehmigungsbehörden. „Es handelt sich um „Scheinmaßnahmen“, um die politisch gewollten Anlagen zu ermöglichen.“

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