Ambulante Pflege Pflegedienste beklagen Personalmangel

Saarbrücken · Seit der Pflegereform 2017 haben ältere Menschen Anspruch auf monatliche Pflegeleistungen. Jedoch fehlt das dafür benötigte Personal im Saarland.

 Die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen ist im vergangenen Jahr im Saarland in einem so großen Umfang gestiegen, dass Pflegedienste dies nicht mehr stemmen können, beklagt die Saarländischen Pflegegesellschaft. (Symbolbild)

Die Nachfrage nach Pflegedienstleistungen ist im vergangenen Jahr im Saarland in einem so großen Umfang gestiegen, dass Pflegedienste dies nicht mehr stemmen können, beklagt die Saarländischen Pflegegesellschaft. (Symbolbild)

Foto: picture-alliance/ dpa/Oliver Berg

Wer noch rüstig genug ist, um zuhause zu wohnen, aber Hilfe bei alltäglichen Dingen wie Einkaufen oder Fenster putzen braucht, kann einen Dienst damit beauftragen. Seit der Pflegereform Anfang 2017 stehen Pflegebedürftigen dafür monatlich 125 Euro zu. Doch wer im Saarland einen Anbieter sucht, hat schlechte Karten. Denn bei den ambulanten Diensten gibt es Engpässe. Die eigentliche Pflege, die nur Fachkräfte durchführen dürfen (siehe Info), also etwa das Verabreichen von Medikamenten oder die Körperpflege, werde von den meisten Diensten gewährleistet, sagt Silke Kotterbach, Beraterin am Pflegestützpunkt Saarbrücken. Doch im ganzen Saarland fehlten Haushaltshilfen: „Das ist ein Riesenproblem.“

Armin Lang Landesvorsitzender des Sozialverbands VdK, bestätigt das: „Das ist ziemlich ärgerlich: Die Menschen haben seit einem Jahr Anspruch auf diese Leistungen, doch sie sind gar nicht verfügbar.“ Ziel der Pflegereform war unter anderem, dass Menschen mit Demenz, die vorher durch das Raster fielen, mehr Leistungen bekommen. „Demenzkranke Menschen brauchen nicht unbedingt Pflege, sie brauchen aber Hilfe, zum Beispiel beim Führen ihres Haushalts“, sagt Lang. Seit der Reform haben deutlich mehr Menschen Anspruch auf Leistungen. Im Saarland stieg die Zahl der Anträge besonders rasant. Bundesweit gab es im vergangenen Jahr einen Zuwachs von 17 Prozent, die Steigerung im Saarland lag sogar 50 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Die Folge: „Die Nachfrage nach diesen niedrigschwelligen Leistungen ist in größerem Umfang gestiegen als die Pflegedienste das leisten können“, sagt Jürgen Stenger, Geschäftsführer der Saarländischen Pflegegesellschaft.

Die hauswirtschaftlichen Hilfen müssen nicht zwingend von einem Pflegedienst übernommen werden. Auch Betreuungsdienste oder Ehrenamtliche kommen in Frage. Allerdings müssen sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die das Sozialministerium festgelegt hat. So muss etwa ein Helfer, der keine Berufsausbildung in der Pflege hat, mindestens 30 Stunden Schulung vorweisen. Aus Sicht von Stenger ist das durchaus sinnvoll: „Eine gewisse Vorstellung von Demenz etwa sollte vorhanden sein.“ Doch offenbar ist das Ministerium über das Ziel hinausgeschossen. „Man hat festgestellt, dass viele Antragsteller die Anforderungen nicht erfüllen und will sie nun abschwächen“, sagt VdK-Chef Lang. Außerdem wird geprüft, ob man Anbieter „haushaltsnaher Dienstleistungen“ fördern könnte.

Auch abseits der Haushaltshilfen ist die Lage bei ambulanten Pflegediensten laut Stenger angespannt. Denn Fachkräfte, die die Grund- und Behandlungspflege übernehmen, sind rar. „Niemand bleibt komplett unversorgt“, versichert er. „Aber die Luft wird dünner.“ Wie viele Mitarbeiter in der ambulanten Pflege fehlen, kann Stenger nicht sagen: „Keiner kann das.“ Denn es gebe keine Bedarfsplanung. „Das Sozialministerium sollte ein wissenschaftliches Institut beauftragen, die Versorgungslage zu untersuchen“, fordert er.

Hört man sich bei Pflegediensten um, bestätigen sie Stengers Einschätzung. So hat etwa Heike Johann von der Ökumenischen Gesellschaft für ambulante Pflege im Saarland, in Neunkirchen eine wachsende Zahl an Anfragen festgestellt: „Wir könnten mehr Patienten aufnehmen, aber es fehlen neben Fachkräften auch Pflegehelfer.“ Auch Konstantin Gorelik vom Delfin Pflegedienst in Saarbrücken sucht händeringend Personal: „Vor allem Pflegehilfskräfte sind schwer zu finden.“ Der Verband der Ersatzkassen (vdek) beobachtet ebenfalls eine steigende Nachfrage. „Das hängt vor allem mit der älter werdenden Bevölkerung, aber auch mit der höheren Anzahl von Leistungsempfängern zusammen“, sagt Sprecherin Angela Legrum.

Auch an den Pflegebeauftragten des Landes, Jürgen Bender, wurden bereits Beschwerden herangetragen, dass Pflegedienste im Regionalverband Patienten wegen Personalmangel ablehnen. Einen akuten Fachkräftemangel sieht er aber nicht: „Im Saarland werden heute doppelt so viele Altenpfleger ausgebildet wie vor sechs Jahren.“ Tatsächlich gibt es derzeit rund 1400 Azubis, 2011/2012 waren es rund 740. Doch Bender warnt: „Man darf die Hände jetzt nicht in den Schoß legen. Der Pflegebedarf wächst.“

Eine wissenschaftliche Ermittlung des Bedarfs in der ambulanten Pflege, wie Stenger es fordert, wird es wohl nicht geben. Das Ministerium überlegt stattdessen, eine Arbeitsgruppe im Landespflegeausschuss zu bilden, die sich damit befasst. Außerdem sollen sich die Pflegestützpunkte stärker vernetzen, um eine Übersicht über Kapazitäten bei ambulanten Pflegediensten zu erstellen.

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