Islamismus-Prävention Wie wird Radikalisierung verhindert?

Saarbrücken · Mehrere Stellen im Land kümmern sich um Islamismus-Prävention, vor allem an Schulen und in Gefängnissen.

 Islamisten betreiben Propaganda überwiegend im Internet. Schüler im Saarland sollen durch eine verstärkte Medienbildung in die Lage versetzt werden, solche Botschaften zu erkennen.

Islamisten betreiben Propaganda überwiegend im Internet. Schüler im Saarland sollen durch eine verstärkte Medienbildung in die Lage versetzt werden, solche Botschaften zu erkennen.

Foto: picture alliance/dpa Picture-Alliance/Ralph Pet

Gesetzt den Fall, ein muslimisches Mädchen in einer Schulklasse würde anfangen, regelmäßig zu beten, würde sich von seinem Freundeskreis abwenden, plötzlich ein Kopftuch tragen oder sich gar verschleiern und nicht mehr zum Sportunterricht gehen. Saarländische Lehrer lernen heutzutage, wie mit einem solchen Fall umzugehen wäre. „Hier sind Lehrerinnen und Lehrer gefordert, einzuschätzen, ob es nur ‚Mode’ und kurzer Hype ist oder tatsächliches ‚Bekenntnis’, wobei Lehrer dann auch den Austausch mit Eltern, Kollegium, Polizei und Staatsschutz suchen sollten“, teilte das Bildungsministerium auf Anfrage unserer Zeitung mit.

Wie verhindert man, dass gerade junge Menschen in den Islamismus abgleiten? Wie erkennt man einen Islamisten und wie geht man mit ihm um? Durch die Flüchtlingswelle 2015/16 haben solche Fragen eine neue Bedeutung bekommen. Der Verfassungsschutz schätzt die Zahl der Islamisten im Saarland auf 260, von denen rund 200 dem Salafismus zugerechnet werden, einer besonders strengen radikalen Strömung des Islams. Von ihnen gelten rund zehn Prozent als gewaltbereit.

Anders als in einigen anderen Bundesländern gibt es im Saarland keine ressortübergreifende Strategie zur Islamismus-Prävention. Auch sucht man ein leicht erreichbares Sorgentelefon für Angehörige, das praktische Hilfe bei der Deradikalisierung vermitteln könnte, vergeblich.

Beratungsangebote gibt es dennoch. Seit Januar 2016 fördert das Saarland im Rahmen eines Bundesprogramms die in Saarbrücken angesiedelte Fach- und Vernetzungsstelle „Yallah – Salafismusprävention im Saarland“. Ein Islamwissenschaftler und eine Juristin sind bei „Yallah“ (arabische Jugendsprache für „Los!“) beschäftigt, sie beraten und schulen pädagogische Fachkräfte und Lehrer. Jugendhilfeeinrichtungen und Schulen bieten sie Unterrichts- und Informationsmodule sowie Workshops an. Das Projekt ist zunächst bis 2019 befristet. „Yallah“ dient auch als Anlaufstelle für Menschen, die Beratung suchen – gegebenenfalls wird dann an Externe vermittelt, sagt Zakariyya Meißner, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei „Yallah“. Konkrete Beratungsfälle habe es bisher nicht gegeben.

Um die Schulen kümmern sich auch zwei weitere Stellen: das Landesinstitut für Präventives Handeln (LPH) und das Landesinstitut für Pädagogik und Medien (LPM). Das LPH bietet Veranstaltungen für Lehrer und Schulsozialarbeiter an. Die vom LPH aufgebauten Kriseninterventionsteams an den Schulen werden um den Themenbereich „Gefahreneinschätzung durch gewaltbereiten Salafismus, Islamismus, Radikalisierung“ erweitert, wie das Sozialministerium mitteilt.

Im LPM gibt es seit 2015 regelmäßig Fortbildungen, zum Beispiel mit dem Extremismus-Experten und ARD-Journalisten Ahmet Senyurt und Verfassungsschutz-Direktor Helmut Albert. Lehrer sollen verstärkt sensibilisiert werden, sie nähmen bei der Prävention eine Schlüsselrolle ein, so das Bildungsministerium: „Wir müssen davon ausgehen, dass Islamismus und die Gefahr einer Radikalisierung von Kindern und Jugendlichen uns in den kommenden Jahren weiter beschäftigen werden.“ Eine verstärkte Medienbildung soll Schüler in die Lage versetzen, Gefahren islamistischer Botschaften im Internet zu erkennen. Das Thema Islamismus könne auch in Fächern wie Geschichte, Erdkunde und Sozialkunde/Politik, Religion oder Ethik behandelt werden.

Eine besondere Rolle bei der Islamismus-Prävention spielt auch der Strafvollzug. Zwar gab es bereits Verdachtsfälle unter den Häftlingen, wie eine Justiz-Sprecherin sagte; in diesen Fällen seien Islamwissenschaftler und Verfassungsschützer hinzugezogen worden. Eine Radikalisierung während des Vollzugs sei bisher aber immer ausgeschlossen worden. Die Vollzugsbeamten würden seit Jahren durch Merkblätter und Veranstaltungen mit dem Verfassungsschutz sensibilisiert. Darüber hinaus seien Mitarbeiter der Vollzugsanstalten geschult worden. Diese Schulungen sollen nun mit dem neuen Projekt „Radikalisierungsprävention im saarländischen Strafvollzug“ verstärkt werden. Auch hier ist „Yallah“ beteiligt.

Informationen bei „Yallah“ unter
www.salafismuspraevention-saar.de oder per Telefon unter (06 81) 586 77 08

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