Bödecker-Kreis feiert Jubiläum Wie man 400 000 Kinder zum Lesen bringt

Saarbrücken · Am Freitag feiert der saarländische Bödecker-Kreis Geburtstag: Seit 30 Jahren bringt der Verband Autoren in die Schulen und fördert so die Leselust der Schüler.

 Gestatten, ich bin der Autor: Krimikönig Klaus-Peter Wolf bei einer Lesung in der Stadtbibliothek Sulzbach 2014. Wolf zählt zu den Stammautoren des Bödecker-Kreises. Im April 2018 wird er auf Einladung des Bödecker-Kreises eine ganze Woche im Saarland zu Gast sein.

Gestatten, ich bin der Autor: Krimikönig Klaus-Peter Wolf bei einer Lesung in der Stadtbibliothek Sulzbach 2014. Wolf zählt zu den Stammautoren des Bödecker-Kreises. Im April 2018 wird er auf Einladung des Bödecker-Kreises eine ganze Woche im Saarland zu Gast sein.

Foto: Iris Maurer

„Menschenfischer“ brauche man, sagt Christa Franzreb. Klingt beinahe biblisch. Der Durchhalteeifer eines Missionars könnte auch nicht schaden, verschreibt man sich seit 30 Jahren der Leseförderung im Saarland, wie das der Friedrich-Bödecker-Kreis (FBK) tut. Und das in Zeiten, da das Buch manchem schon als Medium von vorgestern gilt, stattdessen Fernsehen, Tablet und Smartphone in Kinderzimmern regieren. Der Bödecker-Kreis mit seiner Vorsitzenden hält unerschütterlich gegen. Mit seinen „Menschenfischern“, wie Christa Franzreb, die Vorsitzende, die Autoren nennt.

Junge wie auch Arrivierte sind darunter, der Berliner Jugendbuchautor Manfred Theissen etwa, der auch komplexe Themen wie Integration und Mobbing nicht scheut und am Freitag zum 30-jährigen Jubiläum des FBK Saar spricht. Da gibt es wunderbare Weltraumerkunder wie Thomas Klischke (“Käpt’n Kaos“) oder der Detektiv-Dichter Ulf Blanck („Die drei ??? Kids“). Allen „Menschenfischern“ gemeinsam ist, und das zählt für Franzreb und ihr knappes Dutzend Mitstreiter, dass sie nicht bloß gute Bücher schreiben und daraus auch noch bannend vorlesen können. „Es müssen Persönlichkeiten sein“, meint die pensionierte Lehrerin und ehemalige Schulleiterin der Dudweiler Albert-Schweitzer-Grundschule. Autoren halt, die das Geschichten-Ausdenken verkörpern. Die aber auch geballter Schülerneugier standhalten: von „Was für ein Haustier hast du?“ bis „Wie wird man eigentlich Autor?“. Lesungen will Franzreb das darum gar nicht mehr nennen, was der FBK für Kitas bis hin zur Oberstufe organisiert, sondern „Autorenbegegnungen“. Anstöße zum selber Lesen. „Unser Ziel ist, dass jedes saarländische Kind in seinem Schulleben wenigstens einmal Kontakt zu einem Autor hat“, sagt Franzreb, seit 2013 an der Spitze des FBK Saar.

Ein großes Ziel. Überschlägt man mal, dass jeder Schuljahrgang im Saarland rund 8000 Kinder hat. Der Bödecker-Kreis – in jedem Bundesland gibt es übrigens einen – ist hier aber auf Kurs. In drei Jahrzehnten kommt man auf rund 7500 Veranstaltungen. 425 Schriftsteller waren in Schulklassen oder Büchereien zu Gast. Macht 400 000 Zuhörer. Eine stolze Bilanz. Und das alles mit einer Mini-Truppe. Zwei Mitarbeiterinnen (je mit eine halben Stelle) gibt es nur in der FBK-Geschäftsstelle, die im Saarländischen Künstlerhaus in Saarbrücken beheimatet ist: Katrin Armbrust und Ruth Rousselange. Alles andere läuft ehrenamtlich. Und mit spitz kalkuliertem Budget. 71 000 Euro gibt das Saar-Bildungsministerium plus 7000 Euro speziell für die frühkindliche Leseförderung. 214 zahlende Mitglieder hat der FBK im Lande, dazu spendieren ab und an auch ein paar Sponsoren was. Und Schulen wie Bibliotheken, die eine Autorenbegegnung buchen, zahlen ihren Obulus: zwischen 120 und 170 Euro. Für die Autoren bleibt da eher wenig hängen: 150 bis 185 Euro Lesehonorar. „Manche sind zu diesen Bedingungen nicht bereit“, sagt Franzreb. Erfreulich viele aber, selbst Auflagenmillionäre wie der ostfriesische Krimikönig Klaus-Peter Wolf, täten gerne was für ihr Publikum. Im April 2018 wird Wolf eine ganze Woche im Saarland für den Bödecker-Kreis lesen; ein Höhepunkt im Jubiläumsjahr.

Wie notwendig Leseförderung generell ist, dokumentieren diverse Bildungsstudien schon seit Jahren. Immer wieder wird der Verfall der Lesekompetenz beklagt. Christa Franzreb will in dieses Lamento aber nicht einstimmen. Die Lesekompetenz sei gar nicht so viel schlechter geworden, meint sie. Und setzt den Studien die Empirie der langjährigen Schulpraktikerin entgegen. Die Neugier, das Interesse der Schüler sei doch nach wie vor da. Vielen Kindern falle es allerdings schwer, sich länger zu konzentrieren. Und das Lesen und Vorlesen sei in vielen Familien auch keine Selbstverständlichkeit mehr. Dazu kämen die „Miterzieher Fernsehen und Internet“.

Umso wichtiger sei die Arbeit des Bödecker-Kreises. Doch fragen Kindergärten und Schulen dessen Angebot überhaupt nach? „In Kitas und Grundschulen funktioniert das sehr gut“, sagt die FBK-Vorsitzende. Danach werde es schwieriger. In den höheren Klassen sei der Schultag oft vollgepackt. Trotzdem gebe es noch genug engagierte Lehrer, die es möglich machten. Der FBK Saar stellt sich aber auch den neuen Herausforderungen. So bietet man auch einen Langzeit-Schreib-Workshop für Kinder in sozialen Brennpunkten an. Wo zuhause gar nicht mehr gelesen wird, und Deutsch oft genug nicht Muttersprache ist. Und selbst die Lyrik, die sogar Verlage als Kassengift meiden, macht der FBK Saar noch zum Erfolgsfall. Mit dem Saarbrücker Kinder- und Jugendtheater „Überzwerg“ hat man das Projekt „Erlebnis Lyrik“ kreiert. Schauspieler rezitieren für und mit Schülern von zehn bis 18 Jahren Gedichte. „Da ist die Nachfrage so gut, dass wir gar nicht hinterher kommen“, freut sich Christa Franzreb. In diesem Sinne kann man zum Jubiläum eigentlich nur mit Heinz Erhardt wünschen: „Und noch ’n Gedicht!“

Jubiläumsfest am Freitag, 17. November, 17 Uhr, im Saarländischen Künstlerhaus (Saarbrücken, Karlstraße 1). Weitere Informationen zum FBK Saar unter Tel. (06 81) 37 56 10.

 FBK-Vorsitzende Christa Franzreb

FBK-Vorsitzende Christa Franzreb

Foto: FBK Saar
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