Saarländische Chortage „Wertvolle Impulse für die Breitenarbeit“

Saarbrücken · Der Landesmusikrat veranstaltet auf dem Halberg erstmals die Saarländischen Chortage mit einem Beratungssingen.

 Bernhard Stopp

Bernhard Stopp

Foto: Orchester

Im Saarland gibt es knapp 400 Chöre, der Saarländische Chorverband zählt mehr als 10 000 Mitglieder. Grund genug für den Landesmusikrat (LMR), in Kooperation mit dem Saarländischen Rundfunk vom 3. bis 5. November im Großen Sendesaal des Funkhauses Halberg erstmals die Saarländischen Chortage zu veranstalten. Chöre erhalten dabei am Rande des zehnten Landeschorwettbewerbs die Möglichkeit, sich von einer hochkarätigen Jury beraten zu lassen. Bernhard Stopp, Präsidiumsmitglied des LMR, erklärt, was es mit den Chortagen auf sich hat.

Seit wann gibt es den Landeschorwettbewerb und wie hat sich im Laufe der Jahre die Zahl der teilnehmenden Chöre verändert? Wirkt sich das Chorsterben hier aus?

STOPP Der Landeschorwettbewerb wird alle vier Jahre veranstaltet. In diesem Jahr findet er zum zehnten Mal statt. Er ermöglicht den teilnehmenden Chören eine Weiterleitung zum Bundeswettbewerb, der immer im Folgejahr zum Landeswettbewerb stattfindet – nächstes Jahr in Freiburg. Generell gibt es im Saarland eine sehr große Chortradition und eine enorme Amateurszene. Nicht alle Chöre möchten sich jedoch bei einem Wettbewerb miteinander messen, sondern viele wollen ohne Konkurrenzdruck singen. In der Tat beteiligen sich angesichts der Gesamtzahl der Chöre in unserem Land eher wenige Chöre am Wettbewerb, wobei ich nicht behaupten möchte, dass das mit einem Chorsterben – wie Sie es nennen – zu tun hat. Vielmehr glaube ich, dass viele Chöre andere Prioritäten setzen. Den Traditionschören geht es um Bewahrung des alten Liedgutes und den jungen Chören oft um den Spaß und die gemeinschaftlichen Erlebnisse ohne den Wettbewerbsgedanken. Einen Wettbewerb zu bestreiten, bedeutet ja nicht nur Spaß am Gewinnen, sondern davor erst einmal harte Arbeit, viel Disziplin und Verantwortung für jeden Einzelnen und die Gruppe.

Sind aus Ihrer Sicht in diesem Jahr neue, spannende Projekte dabei oder wird es traditionell zugehen?

STOPP Zum ersten Mal haben wir auf Landesebene eine Kategorie geschaffen, die es bisher noch nicht gab – und auf der Bundesebene immer noch nicht gibt: die „Kategorie K“ wie „kirchlich gebundene Chöre“. Viele Jahre hatte man diese besondere Szene mit ihrer eigenen Literatur, sowohl auf katholischer als auch evangelischer Seite, und ihre eigene Tradition nicht auf dem Radar. Trotzdem stellen die Kirchenchöre eine sehr große Sängerschar im Saarland. Beim Landeschorwettbewerb bestand nie die Absicht, Kirchenchöre auszuschließen – im Gegenteil, der Wettbewerb ist für alle saarländischen Chöre offen. Und doch fühlte sich diese Chorsparte nicht angesprochen. Die neue Kategorie im Wettbewerb sollte alle Kirchenchöre im Saarland ansprechen. Und wir haben sogar einen teilnehmenden Chor in dieser Kategorie.

Der Landesmusikrat veranstaltet dieses Jahr erstmals die Saarländischen Chortage. Was hat es damit auf sich?

STOPP Eingebettet ist der diesjährige Landeschorwettbewerb zum ersten Mal in die Saarländischen Chortage. Diese sind eine Fördermaßnahme des Landesmusikrates Saar, die nicht nur den Spitzenchören der saarländischen Chorszene, sondern allen saarländischen Amateurchören eine Plattform bieten soll, ihr Können unter Beweis zu stellen, mit anderen Sängerinnen und Sängern in Kontakt zu treten und sich durch Darbietungen anderer Chöre und Ensembles inspirieren zu lassen. Dadurch sollen wertvolle Impulse für die chorische Breitenarbeit gegeben werden. Während der Landeschorwettbewerb oft nur eine kleine Zahl Zuhörer zum Rundfunk gelockt hat, wollen wir durch die Chortage die Öffentlichkeit noch mehr auf die Bedeutung von Chören und Chormusik aufmerksam machen.

Erstmals wird es ein Beratungssingen für Chöre geben. Wie viele Chöre haben sich dazu denn angemeldet?

STOPP Zu dem Beratungssingen haben sich zehn Chöre angemeldet – das ist für ein Pilotprojekt erstaunlich! Mit dem Beratungssingen wollten wir gerne ein Angebot für Chöre schaffen, die auf Grund unterschiedlicher Begründungen nicht am Landeschorwettbewerb teilnehmen wollten oder konnten. Sie sollten ebenfalls die Möglichkeit einer Beratung von einer professionellen Jury erhalten. Und scheinbar gibt es einen Bedarf und großes Interesse der Chöre. Dabei sind auch hier alle möglichen Chöre vertreten: Frauenchchor, Kirchenchor, Männerchor, aber auch ein Quintett (also ein kleines Vokalensemble) möchte sich gerne beraten lassen.

Man muss unwillkürlich an Dieter Bohlen und seine Jury denken. Ist es ein „Saarland sucht den Super-Chor“?

STOPP Nein, ganz und gar nicht!

Also vielmehr der Versuch, Chören in Zeiten von Mitgliederschwund zu helfen, ihr Potenzial maximal zu nutzen?

STOPP Genau darum geht es. Oft hat man ja als Leitung, musikalisch wie organisatorisch, eine Betriebsbrille auf und kennt die eigene Truppe. Ein Blick von außen zeigt einem vielleicht Stärken auf, die man im Alltag gar nicht erkennt. Auch als Chorleiter findet man möglicherweise Unterstützung. Es ist kein unbekanntes Phänomen, dass bereits Gesagtes von Außenstehenden neues Gewicht erhält.

Wie läuft die Beratung ab?

STOPP Jeder Chor erhält die Möglichkeit, sich ohne Pflichtprogramm zu präsentieren. Durch eine individuelle Bewertung ohne eine Punktzahl. Vielmehr geht es beim Beratungssingen – wie der Name schon sagt – um eine etwa zehnminütige Beratung der Chöre. Dabei soll nicht auf Fehlern oder möglichen Schwächen herumgehackt werden, sondern Stärken herausgearbeitet und Verbesserungsvorschläge aufgezeigt werden. Es geht darum, die meist wöchentliche Arbeit zu würdigen und durch kompetente Chorexperten wertvolle Impulse und Hilfestellung für die weitere Arbeit zu erhalten. An der Beratung können neben der musikalischen Leitung weitere Vertreter des Chores teilnehmen – natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

 Die rund 50 Sängerinnen und Sänger des Collegium Vocale Blieskastel nehmen am Landeschorwettbewerb teil.

Die rund 50 Sängerinnen und Sänger des Collegium Vocale Blieskastel nehmen am Landeschorwettbewerb teil.

Foto: Collegium Vocale Blieskastel

Gibt es für dieses Beratungssingen ein Vorbild?

STOPP Die Idee geisterte einigen Mitgliedern des Projektbeirats schon längere Zeit im Kopf herum, sodass man sich Inspiration bei manch anderen Chorverbänden der Bundesrepublik nahm. Herausgekommen ist aber ein ganz eigenes Projekt im Rahmen der Chortage – in Verbindung mit dem Landechorwettbewerb.

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