Natur Werden Saar-Buchen nach China „verramscht“?

Saarbrücken/Merzig · Saar-Grünen-Vize Borger fürchtet Abholzen des staatlichen Laubwaldbestands aus Rendite-Gründen. Das Umweltministerium widerspricht ihm.

 Buchenwald am Premiumwanderweg Tiefenbachpfad bei St. Wendel.

Buchenwald am Premiumwanderweg Tiefenbachpfad bei St. Wendel.

Foto: Robby Lorenz

Die Borkenkäfer-Krise nach dem heißen Sommer 2018 im Saarland ist längst nicht zu Ende. Der stellvertretende Landesvorsitzende und Sprecher für Umweltpolitik und nachhaltige Entwicklung der Saar-Grünen, Ex-Umweltstaatssekretär Klaus Borger aus Merzig, schickte der SZ Fotos von Borkenkäfern, die in Überherrn bereits wieder aktiv sind. Borger, der auch Vorstandschef des Vereins Forstbetriebsgemeinschaft Saar-Hochwald ist, fürchtet jedoch nicht nur die schwerwiegenden Folgen des käferlichen Fraßwerks für die Fichten, die Hauptmahlzeit des Borkenkäfers. Durch den massenhaften Befall von Fichtenstämmen sind die Preise für Fichtenholz im dramatischen Sinkflug. Borger, zu Zeiten der Jamaika-Regierung 2009-2012 die rechte Hand von Umweltministerin Simone Peter (Grüne), schwant noch Übleres. Infolge des Erfolgsdrucks, der auf dem Landesbetrieb Saarforst laste, sei dieser gezwungen, den alten Buchenwald des Saarlands anzugreifen. „Will man die finanziellen Vorgaben des Finanzministers erfüllen, bedeutet dies eine Reduzierung der Fixkosten (Personal) und erheblich höhere Einschläge im Laubwald. Wobei die alten Buchen bereits jetzt massiv eingeschlagen und zu Ramschpreisen, vor allem nach China, exportiert werden“, wetterte Borger gegen die CDU/SPD-Landesregierung, die die Umwelt- und Erholungsaufgabe des öffentlichen Waldes vergessen habe. Das Ziel der „schwarzen Null“ möge zwar Saar-Finanzminister Peter Strobel (CDU) gefallen, habe aber mit einer verantwortlichen und vorausschauenden Behandlung des Allgemeingutes Wald wenig bis nichts gemein, kritisierte Borger.

Von dieser Grünen-Kritik zeigten sich das Umweltministerium von Minister Reinhold Jost (SPD) und der Saarforst-Landesbetrieb wenig angefressen. Die Auswirkungen des heißen Sommers 2018 mit dem extremen Borkenkäferbefall der saarländischen Staatsfichten sei „so nicht vorauszusehen“ gewesen, erklärte Josts Sprecherin Sabine Schorr der SZ. Im Saarland habe es keinen Sturm gegeben, die erste Jahreshälfte 2018 sei noch relativ niederschlagsreich gewesen. Erst ab dem dritten Quartal hätten die Borkenkäfer ihr Vernichtungswerk begonnen, 34 000 Festmeter Fichtenholz seien wegen Käferbefalls unplanmäßig gefällt worden. Der Fichtenholzpreis am Markt sei um knapp die Hälfte auf etwa 45 bis 50 Euro pro Festmeter eingebrochen, so dass die 34 000 „Käferholz“-Festmeter nur noch 400 000 Euro Gewinn statt der erwarteten 1,4 Millionen Euro abwarfen. „Eine Umsteuerung des Einschlages war so kurzfristig nicht möglich, alle verfügbaren Arbeitskapazitäten waren mit der Aufarbeitung des Käferholzes gebunden, um eine weitere Ausbreitung des Borkenkäfers einzuschränken“, teilte Schorr mit. Um die Mindereinnahmen von einer Million Euro auszugleichen, hätte der Saarforst 20 000 zusätzliche Festmeter Fichten einschlagen müssen, wofür es aber weder Arbeitskräfte noch einen Absatzmarkt gegegeben habe. Dennoch werde Saarforst im Jahr 2019 entsprechend reagieren und den Einschlag der Situation anpassen, hieß es.

Schorr räumte ein, dass ein Drittel des Saar-Laubstammholzes (21 000 Festmeter) über größtenteils deutsche Holzhändler nach Asien exportiert werde. Zwei Drittel der Saar-Laubbäume würden jedoch nach Rheinland-Pfalz, Bayern, Baden-Württemberg, Frankreich und nach Südtirol verkauft, hieß es. Mit 90 bis 100 Euro pro Festmeter Buchenholz lasse sich dabei ein „durchaus akzeptabler Preis“ erzielen. Im Saarland gebe es allerdings schon lange keine Laubholzsägewerke mehr. Der überwiegende Teil des Laubstammholzes gehe in die Nachbarbundesländer und nach Lothringen. „Das ist regionale Vermarktung“, sagte Schorr. Insgesamt über alle Holzarten hinweg würden 50 000 Festmeter als Brennholz vor allem im Saarland vermarktet. Auch der größte Teil des Industrieholzes (für Spanplatten, Holzwolle und anderes) gehe an Saar-Firmen, das sägefähige Nadelholz (64 000 Festmeter) werde nach Rheinland-Pfalz verkauft. Der Asien-Export mache drei bis fünf Prozent der jährlichen Verkaufsmenge aus, was ein „überschaubarer Anteil“ sei, betonte Schorr.

Der Fichtenanteil am Saarforst habe in 30 Jahren um 2000 Hektar abgenommen, so dass der Fichtenanteil Ende 2018 noch zwölf Prozent des staatlichen Waldes ausmachte. Der zu erwartende Käferbefall 2019 werde zu einem weiteren Rückgang des Fichtenanteils führen, hieß es. Auf den entstandenen Kahlflächen nach dem Fichteneinschlag werde nach Prioritäten wieder aufgeforstet, wobei das Aufkommen von Brombeeren und Adlerfarn ein schnelles Aufforsten gebiete. „Auf die Freiflächen werden keine Buchen gesetzt“, betonte Schorr. Heimische Baumarten wie Traubeneiche, Stieleiche, Kirsche, Esskastanie, Bergahorn und Weißtanne seien erste Wahl beim Aufforsten. Der Wildverbiss an den Setzlingen sei in einem „tolerierbaren Rahmen“, hieß es. Nur Eiche und Weißtanne seien stark durch Wildverbiss gefährdete Arten, an Hotspots der Waldverjüngung werde „betriebsintern verstärkt“ gejagt.

Die Finanzziele für 2018 und die Folgejahre würden allerdings aufgrund der Kimaextreme 2018 und der damit verbundenen „erheblichen Holzmarktstörung“ vermutlich nicht wie vereinbart zu realisieren sein, räumte Schorr ein. Es gelte für den Saarforst, den Staatswald in seiner natürlichen Funktion zu schützen und zu erhalten.

 Der stellvertretende Grünen-Landesvorsitzende Klaus Borger.

Der stellvertretende Grünen-Landesvorsitzende Klaus Borger.

Foto: Borger
 Auch 2019 aktiv: Borkenkäfer in Fichtenholz bei Überherrn.

Auch 2019 aktiv: Borkenkäfer in Fichtenholz bei Überherrn.

Foto: Klaus Borger

Das reicht Borger aber nicht. Er fordert ein Waldschutzgesetz für das Saarland. „Die heutige Situation ist so, dass wir ein Waldnutz- und Jägerschutzgesetz haben, das den Nutzungszielen der entsprechenden Nutzergruppen Vorrang einräumt“, sagte Borger. Dies werde den Anforderungen der sich ändernden Umweltbedingungen und Ansprüchen der Bevölkerung nicht mehr gerecht.

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