Saarländer bei der ESA „Wer zum Mond fliegt, muss groß denken“

Saarbrücken · Ein Saarländer arbeitet an wichtiger Stelle für die Europäische Raumfahrtagentur. Im Saarland sieht er große Chancen für die Branche.

 Selfie im Weltraum: Der deutsche Esa-Astronaut Alexander Gerst bei einem Außeneinsatz.

Selfie im Weltraum: Der deutsche Esa-Astronaut Alexander Gerst bei einem Außeneinsatz.

Foto: ESA/Alexander Gerst

Bernhard L. von Weyhe bewegt sich in seinem Beruf täglich im Weltraum. Der Saarländer arbeitet seit 2003 in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Europäischen Raumfahrtagentur (Esa), aktuell in Darmstadt, wo auch das Kontrollzentrum Esoc angesiedelt ist. An diesem Donnerstag um 18.30 Uhr hält der 44-Jährige einen Vortrag im Haus der Union-Stiftung. Thema: „Aktuelle Highlights und Missionen der Esa“. Die SZ hat vorab mit von Weyhe gesprochen.

Herr von Weyhe, im Internet kann man sich Live-Bilder aus der internationalen Raumstation ISS anschauen, rund um die Uhr. Klicken Sie sich als Pressesprecher der Esa regelmäßig in den Weltraum?

BERNHARD VON WEYHE Ich klicke mich nicht so oft dahin. Aber die Raumfahrt ist natürlich eine wunderbare Goldgrube für faszinierende Bilder, mit denen ich täglich arbeite. Der deutsche Esa-Astronaut Alexander Gerst hat Europa von oben festgehalten, sein französischer Kollege Thomas Pesquet hat ebenfalls ganz tolle Aufnahmen von Europa, von Frankreich und den Benelux-Ländern gemacht, auch von der Saar-Lor-Lux-Region.

Wer Esa hört, denkt vor allem an Astronauten wie Gerst oder Pesquet. Mit welchen Themen befassen Sie sich als Pressesprecher ansonsten?

VON WEYHE Vereinfacht ausgedrückt, leite ich die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit am Esa-Raumfahrtkontrollzentrum in Darmstadt, am Esoc. Unser Zentrum besteht seit über 50 Jahren, wir haben 900 Mitarbeiter aus ganz Europa. Wir haben 16 verschiedene Satelliten, die von hier aus im Orbit gesteuert werden. Wir arbeiten als Kommunikatoren auch regelmäßig mit dem europäischen Astronautenzentrum Esa-Eac in Köln zusammen, wo der Saarländer Matthias Maurer trainiert und arbeitet.

Demnächst werden Sie in Saarbrücken über „Highlights und Missionen“ der Esa sprechen. Was erwartet Ihre Zuhörer?

VON WEYHE Einerseits möchte ich den Saarländern als Saarländer nahebringen, welch ein schönes Beispiel der friedlichen, zukunftsorientierten und innovativen Kooperation die europäische Raumfahrt ist. Wir befassen uns mit den großen Herausforderungen der heutigen Gesellschaft: Erd- und Umweltbeobachtung, Navigation, öffentliche Sicherheit, Gesundheit – in all diesen Bereichen hat die Esa mit ihren Partnern wertvolle Projekte aufgebaut. Auch die tägliche Wettervorhersage basiert auf europäischen Raumfahrttechnologien.

Die Esa wird von 22 Mitgliedsstaaten getragen. Hilft die Raumfahrt, Grenzen zu überwinden?

VON WEYHE Allein durch die Natur der Sache hilft die Raumfahrt, Grenzen zu überwinden – geografisch, politisch, in den Köpfen. Die Astronauten sagen immer: Wenn wir die Erde aus dem All sehen, erscheinen Ländergrenzen banal und relativ. Die Esa ist ein Zusammenschluss von 22 europäischen Nationen, die Ambitionen und Kompetenzen in der Raumfahrt besitzen. Die gesagt haben: Wir legen unsere Gelder und Experten-Teams zusammen. Unser Jahresbudget beträgt etwa 5,7 Milliarden Euro. Wenn Sie ein neues Satelliten-Navigationsprogramm aufsetzen, ein Erd- und Umweltbeobachtungssystem wie Copernicus aufbauen wollen, wenn Sie zum Mond fliegen oder Alexander Gerst in einem Astronautenteam zum Forschen auf die Raumstation ISS schicken möchten – dann müssen Sie groß denken.

Profitieren Sie bei der Esa von Ihrer Herkunft aus einer Grenzregion?

VON WEYHE Definitiv. Die Grundschulzeit und den größten Teil meiner Jugend habe ich in Saarbrücken verbracht und in St. Ingbert, an einer damals bereits sehr „global denkenden“ Schule, dem Leibniz-Gymnasium, mit sehr vielen Austauschprojekten. Meine Lehrer wie auch meine Eltern haben mir den europäischen Gedanken eingeimpft. Wir alle waren und sind mit den Höhen und Tiefen der jüngeren deutsch-französischen Geschichte bestens vertraut. Alle Saarländer wissen: In Europa kommt man besser voran, wenn man nicht nur Deutsch und Englisch kann, sondern auch Frankreich-tauglich ist.

Welches Potenzial sehen Sie im Saarland bei der Raumfahrt?

VON WEYHE Die Saarländer sind sehr gut aufgestellt, um in der europäischen Raumfahrt mitzuwirken. Sei es in der IT-Branche oder den Materialwissenschaften. Man interessiert sich für Künstliche Intelligenz, Robotik, IT-Sicherheitstechnik, Erd- und Umweltbeobachtung, Navigation. Das sind alles Bereiche, die mehr oder weniger mit der Raumfahrt zu tun haben – und in denen es spannende neue Hightech-Jobs gibt. Man kann auch im Saarland Start-ups entwickeln, ermöglicht durch die Raumfahrtprogramme der Esa im Hintergrund. Zudem können gerade frankophile Saarländer prima „europäisch“ denken.

Bernhard L. von Weyhe aus  St. Ingbert ist Pressesprecher bei der Esa.

Bernhard L. von Weyhe aus St. Ingbert ist Pressesprecher bei der Esa.

Foto: ESA/Jürgen Mai

Wann erleben wir denn den ersten Saarländer im All?

VON WEYHE Der deutsche Esa-Astronaut Matthias Maurer (aus Oberthal-Gronig, Anm.) ist perfekt vorbereitet, aber die Entscheidung dazu wird auf oberster politischer und raumfahrtstrategischer Ebene getroffen. Ich drücke ihm die Daumen.

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