Wenn jede Kleinigkeit im Kopf zu einem Riesenproblem wird

Saarbrücken · Eine Depression ist mehr als die „Flemm“. Erkrankte kämpfen gegen ein schweres, aber behandelbares Leiden. In der Region kümmert sich das saarländische Bündnis gegen Depression um Betroffene. Teil I der SZ-Serie.

"Mir geht es so beschissen im Moment." Die Muskeln in Anton Pfeiffers Gesicht (Name geändert) verkrampfen sich. Ständig niedergeschlagen sei er, schlechte Gedanken plagten ihn. "Jede Kleinigkeit wird in meinem Kopf zu einem Riesenproblem", beschreibt der Angestellte aus dem Regionalverband sein Innenleben. Sein Magen sei wie zugeschnürt. "Ich habe auf nichts mehr Appetit."

Anton Pfeiffer zeigt einige Anzeichen einer Depression. Deshalb hat er sich professionelle Hilfe gesucht, kürzlich eine Psychotherapie begonnen. Doch das genügte ihm nicht. "Ich bin ja nicht der einzige, dem es so geht.". Er wolle sich mit Leidensgenossen austauschen, um zu erfahren, "wie die es so schaffen".

Pfeiffer wandte sich an das saarländische Bündnis gegen Depression. Unter der Trägerschaft der Landesvereinigung Selbsthilfe ist das Bündnis personell wie inhaltlich eng verknüpft mit der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe im Saarland (Kiss). Es will Anlaufstelle für Menschen wie Anton Pfeiffer sein, die Selbsthilfe stärken und das Wissen über Depression in der Gesellschaft verbessern.

Seit 2009 ist das Bündnis im Saarland aktiv. Entstanden sei es aus der Arbeit der Kiss heraus, erzählt die Leiterin beider Einrichtungen, Petra Otto. "Wir haben festgestellt, dass in den letzten gut zehn Jahren vermehrt Leute angerufen haben, um etwas über Depression zu erfahren", erzählt Otto. Sie trommelte bei Medizinern und Therapeuten, bei Vertretern der Arbeitswelt, bei Krankenkassen, öffentlichen Stellen und der Selbsthilfe. "Unser Ziel ist eine Verbesserung der Lebens- und Behandlungssituation von Menschen mit Depression", sagt Otto.

Zu diesem Zweck informieren die Initiatoren über Hilfsangebote, lassen Faltblätter drucken, betreuen Infostände oder organisieren Veranstaltungen. Er habe schon Vorträge vor Fußballtrainern, angehenden Krankenpflegern oder Freiwilligendienstlern gehalten, erzählt Frank Lessel, einer von zwei Projekt-Koordinatoren. 2012 habe es auch eine erste Hausärzte-Schulung gegeben - denn beim Hausarzt sprechen Erkrankte oft als erstes vor. Darüber hinaus habe sich mittlerweile "das Angebot an Selbsthilfe-Gruppen in allen Landkreisen stark erweitert", sagt Mit-Koordinator Frank Weinsheimer.

Eine passende Selbsthilfe-Gruppe hat auch Anton Pfeiffer gefunden. Dort will er nun regelmäßig hingehen, um die schlechten Gefühle zu bekämpfen. Eine Depression ist eine Krankheit, die aber behandelt werden kann. Eine eindeutige Ursache gibt es nicht. Auch kann sich eine Depression bei jedem Betroffenen anders äußern. Typische Beschwerden sind Traurigkeit, Interessenverlust, Schlafstörungen, Angst oder nicht erklärbare körperliche Beschwerden. Ob eine Depression hinter den Leiden steckt, kann nur ein Arzt erkennen.

Die Zahl der diagnostizierten Depressionen steigt seit Jahren. Laut Robert-Koch-Institut wurde bei fast zwölf Prozent der erwachsenen Deutschen schon einmal eine Depression erkannt. Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status sind häufiger betroffen.

Auch die Zahl der Krankschreibungen wegen psychischer Störungen, unter die die Depression fällt, steigt - im Saarland sogar überdurchschnittlich stark, wie Daten mehrerer gesetzlicher Krankenkassen zeigen. Fast 30 000 Erwerbstätige in ganz Deutschland mussten der Deutschen Rentenversicherung zufolge 2012 wegen Depressionen ihren Beruf aufgeben.

depression-saarland.de

selbsthilfe-saar.de

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