Wenn echte Fans leiden

Metz. Ganz Gallien ist vom Rugby-Fieber erfasst. Ganz Gallien? Nein, zwischen Forbach und Metz scheint sich niemand für das Finale der Weltmeisterschaft in Neuseeland zu interessieren. Lediglich vor den Rathäusern in den verschlafenen lothringischen Dörfern wehen am Sonntag die Fahnen. Von dem Spiel ist nichts zu spüren

Metz. Ganz Gallien ist vom Rugby-Fieber erfasst. Ganz Gallien? Nein, zwischen Forbach und Metz scheint sich niemand für das Finale der Weltmeisterschaft in Neuseeland zu interessieren. Lediglich vor den Rathäusern in den verschlafenen lothringischen Dörfern wehen am Sonntag die Fahnen. Von dem Spiel ist nichts zu spüren. Dabei ist Rugby in Frankreich Nationalsport und "Les Bleus" treffen im Finale auf die gastgebenden "All Blacks".Auf dem Platz vor der Metzer Kathedrale sind um kurz vor zehn mehr Kirchgänger zu sehen als Schlachtenbummler. Nur ein Blau-weiß-rotes Pärchen geht die Straße hinunter zum Place Saint Louis und steuert das Café "Au bureau" an, den Treffpunkt der Fans. Fast zweihundert Menschen verteilen sich vor drei Bildschirmen.

Rechts neben dem Eingang sitzt Chrystelle Vionne. Sie kommt aus Straßburg und hat sich für das Finale mit Freunden aus Spicheren in Metz verabredet. Chrystelle bekennt als eine der wenigen Farbe. Auf dem Kopf die Perücke in den Nationalfarben, dazu ein blaues Rugbytrikot mit gallischem Hahn und sie singt bei der Hymne fast so laut wie die 30-köpfige Turnerriege aus Paris, die eine Etage höher sitzt. "Wir haben kein gutes Turnier gespielt, aber wir können heute gewinnen", sagt Chrystelle. "Da bin ich mir nicht so sicher" entgegnet Christophe de Nantois. Er sitzt am Nebentisch und ist sehr nervös. Er schreit seine Anspannung nicht heraus, stattdessen sind seine Hände in Bewegung: ein ständiges Reiben, Falten, Kneten, Quetschen.

Als die "All Blacks" vor dem Spiel mit ihrem berüchtigten Maori-Tanz die Franzosen einschüchtern wollen, hält es Chrystelle nicht mehr auf ihrem Stuhl. "Tanzt nur, wir werden es euch schon zeigen", schreit sie dem Bildschirm entgegen. Als ob es die Blauen gehört hätten, schreiten sie in Neuseeland Arm in Arm in Richtung Tänzer. Jubel im Café, weil Großaufnahmen furchtlose Gesichter der Spieler zeigen.

Es bleibt der letzte große Jubel in der ersten Halbzeit in der nur die "All Blacks" punkten können. Die neuseeländische 5:0-Halbzeitführung beunruhigt jedoch kaum jemanden im Café. "Das Spiel wird meist erst in den letzten 15 Minuten entschieden", sagt Christophe und fügt hinzu: "Dummerweise müssen wir in der zweiten Halbzeit auf unseren Spielmacher verzichten." Der gebürtige Metzer Morgan Parra verletzte sich Mitte der ersten Halbzeit. Kurz nach der Halbzeit können die "All Blacks" auf 8:0 erhöhen, doch Chrystelle gibt nicht auf. Sie feuert den Fernseher an.

In der 49. Minute verkürzen die Franzosen auf 7:8. Das Café tobt. Chrystelle fällt ihrer Freundin um den Hals. Christophe schreit: "Jetzt können wir sie packen." Seine Hände leiden in den letzten 30 Spielminuten fast ebenso wie die Körper der Spieler. Doch es hilft nichts. Neuseeland rettet die Führung über die Zeit. Christophe verlässt enttäuscht das Café. Christelle bleibt - optimistisch: "Bei der nächsten Weltmeisterschaft werden wir gewinnen."

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