Krebsvorsorge Immer mehr Junge bekommen Darmkrebs

Saarbrücken · Die Zahl der Darmkrebs-Neuerkrankungen im Saarland ist rückläufig. Allerdings treten sie zunehmend früher auf.

 Professor Manfred Lutz von der Saarbrücker Caritas-Klinik mit einem Endoskop. Auf dem Monitor im Hintergrund sieht man das Innere eines Darms, bei dem ein großer Polyp entfernt wird.

Professor Manfred Lutz von der Saarbrücker Caritas-Klinik mit einem Endoskop. Auf dem Monitor im Hintergrund sieht man das Innere eines Darms, bei dem ein großer Polyp entfernt wird.

Foto: BeckerBredel

Darmkrebs zählt zu den häufigsten Krebserkrankungen. Im Saarland erkranken pro Jahr 900 Menschen neu daran. Auch wenn es erfreulicherweise weniger neue Fälle gibt, weil offenbar die Vorsorgeangebote besser genutzt werden, macht sich auch eine negative Entwicklung bemerkbar, so Professor Manfred Lutz, Chefarzt in der Caritas-Klinik St. Theresia Saarbrücken: Die Zahl junger Darmkrebs-Patienten steigt.

Herr Professor  Lutz, wie viele Menschen erkranken im Jahr im Saarland an Darmkrebs?

LUTZ Laut dem Saarländischem Krebsregister des Gesundheitsministeriums sind es knapp 900. Mit sinkender Tendenz. Zur Verdeutlichung: Seit 2003 hat die Darmkrebsrate um rund 15 Prozent abgenommen.

Die Gründe hierfür?

LUTZ Die wichtigste Vorsorgeuntersuchung, also die Darmspiegelung, die von mehr und mehr Menschen angenommen wird, zeigt Wirkung. Ein Viertel der Saarländer im entsprechenden Alter nehmen daran teil. Frauen im Übrigen häufiger als Männer. Die niedergelassenen Gastroenterologen und  meine Kollegen in den Kliniken würden selbstredend gerne noch mehr begrüßen.

Ist Darmkrebs heilbar?

LUTZ Ja, erfreulicherweise in der Mehrzahl aller Fälle. Vor allem bei frühzeitiger Diagnose. Aber auch die Aussichten auf Heilung bei späterer Erkennung sind besser geworden. So hat im letzten Jahrzehnt bei den Männern die Sterblichkeit an Darmkrebserkrankungen um 20 Prozent, bei den Frauen sogar um 26 Prozent abgenommen. Ein anderer Trend gibt jedoch Anlass zur Sorge: Seit den 90er Jahren beobachten wir eine Zunahme der Erkrankungen bei jüngeren Leuten. In den USA sogar um zwei Prozent pro Jahr, das ist viel. Es gibt schon 20-Jährige mit Darmkrebs.

Was sind die Ursachen?

LUTZ Man geht zu einem Viertel von einer genetischen Veranlagung aus. Der Rest sind Umweltfaktoren. Manches ist hier noch unklar, aber eines ist mittlerweile gesichert: Eindeutig spielen Übergewicht und die Ernährung eine entscheidende Rolle. So ist etwa rotes Fleisch ein Problem und stark verarbeitetes Fleisch mit Zusatzstoffen. Auch das Rauchen ist ein klarer Risikofaktor, bei Alkohol sind die Daten nicht so klar. Hingegen kann jeder durch körperliche Betätigung, also durch Sport, sein Darmkrebsrisiko um ein Drittel reduzieren. Der Stoffwechsel und die Immunabwehr werden dadurch günstig beeinflusst.

Gibt es eine Gruppe von Menschen, die sich unbedingt einer Darmspiegelung (Koloskopie) unterziehen sollten?

LUTZ Ja, und zwar Angehörige von Patienten, bei denen Darmkrebs diagnostiziert wurde. Sie sollten auf jeden Fall zehn Jahre vor dem Erkrankungsalter ihrer Verwandten bei einem Gastroenterologen vorstellig werden.

Ist das Heilfasten oder sind Superjoghurts eine Möglichkeit, dem Darmkrebs  entgegen zu wirken?

LUTZ Nein, Heilfasten hat mit Darmgesundheit nur wenig zu tun. Dadurch kann man allenfalls kurzfristig das Mikrobiom, also die im Darm angesiedelten Keime – es sind mehr als der Körper Zellen hat – beeinflussen, aber nicht umkrempeln. Langfristige Veränderungen sind nur durch eine gute Ernährung zu erreichen. Auch die in der Werbung angepriesenen gesunden Joghurts sind nicht besser als andere frisch fermentierte Milchprodukte.

Was bringt eine Darmspiegelung konkret?

LUTZ Schon mit einer einmaligen Vorsorgeuntersuchung kann das Darmkrebsrisiko immerhin um zwei Drittel gesenkt werden. Nicht immer kann man jedoch den ganzen Darm einsehen, sprich alle Darmpolypen als Vorstufe zum Krebs erkennen, denn der Darm hat ja auch etliche Knicks und Falten. Um die fünf Prozent dieser Polypen bleiben so zunächst unentdeckt, wenngleich wir mit modernster Technik und mit 160-Grad-Weitwinkel-Kameras arbeiten. Zudem gibt es Krebsarten, die sich nicht durch Polypen bemerkbar machen. Ergänzend möchte ich hinzufügen, dass  die Koloskopie bei den niedergelassenen Fachärzten im Saarland generell qualitätskontrolliert mit hohem Standard durchgeführt  wird. Die Aufgabe der Klinik sind eher die komplikationsträchtigen Untersuchungen oder das Entfernen großer Polypen. Wir verfügen dazu inzwischen auch über Spezialgeräte, die es uns ermöglichen, bei Frühstadien gegebenenfalls ein Stückchen  Darm ohne Bauchoperation zu entfernen.

Muss man bei der Koloskopie grundsätzlich mit Komplikationen rechnen?

LUTZ Nein, als Diagnosemaßnahme ist der Eingriff meist problemlos und verursacht keine Schmerzen, allenfalls ein gewisses Unwohlsein. Natürlich ist es eine Untersuchung in einem sensiblen menschlichen Bereich, die oft nicht als angenehm empfunden wird.  Wenn gewünscht, erhält der Patient deshalb auch eine Beruhigungsspritze.

Tut sich auch etwas mit Blick auf die Vorsorgemöglichkeiten?

LUTZ Es ist so gut wie sicher, dass ab diesem Jahr Männer bereits ab dem Alter von 50 Jahren  Anspruch auf eine Darmspiegelung haben, bisher lag die Grenze bei 55 Jahren. Frauen können ab 50 zunächst einen Stuhltest durchführen lassen und ab 55 eine Früherkennungskoloskopie, da ihr Risiko an Darmkrebs zu erkranken, etwas geringer ist als das der Männer. Alle Versicherten dieser Altersgruppen sollen in Zukunft, ähnlich wie bei der Brustkrebs-Vorsorge, ein Einladungsschreiben erhalten.

Das Gespräch führte
Michele Hartmann

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