Kaiserschnittquote im Saarland bundesweit am höchsten Warum gibt es so viele Kaiserschnitte?

Saarbrücken · Nirgends kommen so viele Babys per Schnittentbindung zur Welt wie im Saarland. Die Gründe dafür sind vielfältig.

 Experten gehen davon aus, dass nur zehn bis 15 Prozent der Kaiserschnitte medizinisch notwendig sind.

Experten gehen davon aus, dass nur zehn bis 15 Prozent der Kaiserschnitte medizinisch notwendig sind.

Foto: dpa/Arno Burgi

Kaiserschnitte sind inzwischen Routine für Frauenärzte an Kliniken. Doch ob Kinder auf diese Weise auf die Welt kommen, hängt auch vom Wohnort der Mutter ab. So kamen im Saarland 2016 nach Angaben der Gesundheitsberichterstattung des Bundes (GBE-Bund) 3412 Kinder – das entspricht einer Quote von 38,4 Prozent – per Schnittentbindung zur Welt. Das ist bundesweit der höchste Wert, der Bundesschnitt liegt bei 30,5 Prozent. Da die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und die Weltgesundheitsorganisation davon ausgehen, dass nur zehn bis 15 Prozent der Kaiserschnitte aus medizinischer Sicht notwendig sind, wollte die Linksfraktion im Landtag von der Landesregierung per parlamentarischer Anfrage wissen, warum die Quote im Saarland so hoch ist und was dagegen unternommen wird.

1994 lag die Kaiserschnittrate im Saarland noch bei 20,1 Prozent, ihren Höhepunkt hatte sie im Jahr 2014, mit 40,2 Prozent. Die Gründe für den Anstieg sind nach Angaben der Landesregierung vielfältig: Neben dem steigenden Alter der Frauen bei der ersten Schwangerschaft spiele auch der Gesundheitszustand der Schwangeren eine große Rolle: Übergewicht, Schwangeren-Diabetes und Rauchen in der Schwangerschaft. Zudem gebe es immer mehr Mehrlingsgeburten, und die Kinder seien bei der Geburt häufig schwerer. All dies steigere das Risiko bei einer natürlichen Geburt.

Aber es gebe auch eine veränderte Risikobewertung durch die Geburtshelfer. So nenne die Studie „Faktencheck Gesundheit Kaiserschnittgeburten Entwicklung und regionale Verteilung“ auch Veränderungen in der Klinikorganisation und eine abnehmende Erfahrung der Geburtshelfer in der Betreuung komplizierter Spontangeburten als Ursachen. Es gebe auch eine größere Klagebereitschaft: Immer häufiger würden Ärzte wegen nicht erfolgter geburtsmedizinischer Eingriffe in Haftungsprozessen angeklagt.

Die DGGG geht davon aus, dass in weniger als zehn Prozent aller Kaiserschnitte absolute Indikationen vorliegen, die einen Kaiserschnitt zwingend machen. Zu diesen Kriterien gehören beispielsweise die Lebensgefahr für Mutter und Kind, eine Infektion des Fruchtwassers, das drohende Reißen der Gebärmutter oder das vorzeitige Lösen der Plazenta. Daneben gibt es relative Indikationen, bei denen die spezielle Situation von Mutter und Kind im Einzelfall diskutiert werden muss. Dazu zählen die Steißlage des Kindes, ein Gewicht über 4500 Gramm, vorangegangene Kaiserschnitte, aber auch die Erschöpfung der Mutter. Die saarländische Landesregierung geht davon aus, dass der Entscheidungsspielraum bei diesen relativen Indikationen regional unterschiedlich bewertet wird und hierin eine Erklärung für die hohe Quote im Saarland liegen könnte.

Die gestiegene Zahl der Kaiserschnitte ergibt sich aus ihrer Sicht nicht aus der teilweise höheren Vergütung, die die Kliniken im Vergleich zur natürlichen Geburt erhalten. Bei Kaiserschnitten sei der Aufwand bedeutend höher, mehr Personal müsse bereitstehen und der OP vorbereitet werden. Nicht immer liege die Erstattung über den Ausgaben.

Die Landesregierung begrüße es, dass der Gemeinsame Bundesausschuss sich das Ziel gesteckt habe, die Kaiserschnittrate zu senken. Seit 2015 werden Kliniken angeschrieben, wenn ihre Kaiserschnittrate rechnerisch auffällig zum Referenzwert ist. Dann müssten die Häuser darlegen, warum sie eine so hohe Kaiserschnittrate aufweisen.

In den USA habe die Zahl der Kaiserschnitte in einigen Staaten nachhaltig gesenkt werden können, nachdem Fachgesellschaften entsprechende Guidelines eingeführt haben. Die DGGG bereite derzeit in vergleichbarer Weise eine Leitlinie zur Evaluation evidenzbasierter Indikationen vor, sodass möglicherweise auch hierzulande vergleichbare Effekte eintreten könnten.

Anfang 2016 haben sich das Gesundheitsministerium, der Berufsverband der Frauenärzte im Saarland, der Saarländische Hebammenverband, die Ärztekammer und die Kassenärztliche Vereinigung zu einem Arbeitskreis zur Förderung der physiologischen Geburt zusammengeschlossen. Er will die Gründe für die vergleichsweise hohe Kaiserschnittrate im Saarland näher untersuchen und gegebenenfalls Gegenmaßnahmen erarbeiten. Dies soll im Rahmen einer Doktorarbeit erfolgen. Im Frühjahr 2018 will der Arbeitskreis eine Infobroschüre zur Förderung der natürlichen Geburt vorlegen.

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