Marode Straßen und Gebäude Warum das Saarland viel zu wenig investiert
Saarbrücken · Die Schuldenbremse verhindert seit Jahren dringend nötige Investitionen. Ab 2020 soll alles besser werden. Wird es das auch tatsächlich?
Wer wissen will, wie es um die öffentliche Infrastruktur im Saarland bestellt ist, kann einen Blick in die Toiletten einer Grundschule werfen, sein Auto über ein paar Kilometer Landstraße rollen lassen oder eines der 50 Jahre alten Uni-Gebäude besuchen.
Der Sanierungsstau ist enorm. „Wenn nicht umgesteuert wird, fällt unser Land immer weiter zurück“, sagt Linken-Fraktionschef Oskar Lafontaine. Als Kronzeugen ruft er in nahezu allen seinen Reden die Industrie- und Handelskammer (IHK) des Saarlandes auf. „Laut IHK wird die Saar-Wirtschaft in diesem Jahr wegen fehlender öffentlicher Investitionen nur halb so viel wachsen wie der Bundesschnitt“, erklärte Lafontaine jetzt wieder.
Grundsätzlich wird dieser Zusammenhang bei der IHK nicht bestritten. Dass öffentliche Investionen das Bruttoinlandsprodukt stärken, ist ja auch eine volkswirtschaftliche Binsenweisheit. Die Experten der Kammer haben errechnet, dass der Investitionsrückstand des Saarlandes und seiner Kommunen gegenüber dem Schnitt der 13 Flächenländer seit 2005 auf 1,3 Milliarden Euro angewachsen ist (siehe Grafik).
„Wir brauchen in Land und Kommunen mehr öffentliche Investitionen, um beim Wachstum wieder Anschluss an den Bundestrend zu finden“, fordert IHK-Hauptgeschäftsführer Heino Klingen. Die Besserstellung des Saarlandes im Bund-Länder-Finanzgeflecht ab 2020 sei eine gute Voraussetzung dafür. Die zusätzlichen Gelder sollten vorrangig zur Stärkung der Wirtschaftskraft des Landes eingesetzt werden. Entsprechende Projekte müssten bis 2020 definiert und planerisch angegangen werden. Hierzu zählt Klingen etwa die Aufwertung des Messe- und Kongressstandortes Saarbrücken sowie Sanierungsmaßnahmen im Bildungs- und Verkehrsbereich.
Der Sanierungsstau wird von den Regierenden nicht geleugnet, auch wenn sie öffentlich lieber über jene Projekte reden, in die trotz des Sparkurses immer noch größere Summen gesteckt werden. Die 2011 in Kraft getretene Schuldenbremse hat bewirkt, dass nötige Erhaltungsmaßnahmen bei Gebäuden und Straßen oft auf die lange Bank geschoben werden mussten – mit der Folge, dass die Sanierung in einigen Jahren noch teurer wird.
Dem hält die CDU/SPD-Landesregierung sinngemäß entgegen: Ohne den drastischen Sparkurs seit 2011 wäre eine Lösung beim Bund-Länder-Finanzausgleich ab 2020 für das Saarland nicht zu erreichen gewesen, und erst durch diese zusätzlichen Gelder habe das Land in Zukunft überhaupt erst wieder Spielräume zum Investieren.
Versprochen ist von Schwarz-Rot nun eine „Investitionsoffensive“. Hier und da, bei Landstraßen oder Kliniken, sind die Ansätze im Landeshaushalt bereits für 2018 um einige Millionen erhöht worden. Für die Jahre ab 2020 hat die Landesregierung ein „Jahrzehnt der Investitionen“ ausgerufen. Ihr Problem: Da der jahrelange Stellenabbau auch zulasten der Planungs- und Genehmigungsbehörden ging, müssen dort jetzt erst einmal wieder Ingenieure eingestellt werden, damit ab 2020 mehr gebaut werden kann.
In Euro bedeutet das: 2020 sollen die Investitionen zunächst um 50 Millionen Euro steigen, in den Folgejahren dann weiter wachsen. Allein ein kurzer Blick zum Sanierungsbedarf (siehe Text unten) zeigt aber, dass dies nicht ausreichen wird, um die Infrastruktur schnell in Ordnung zu bringen und in Schuss zu halten. Die IHK fordert daher eine klare Prioritätensetzung, „um größtmögliche regionalwirtschaftliche Effekte zu erzielen“.
Die Frage ist deshalb, wie sich noch mehr Geld für Investitionen mobilisieren ließe. Lafontaines Antwort lautet: höhere Steuern auf hohe Einkommen, Vermögen und Erbschaften. Spätestens hier enden die Gemeinsamkeiten mit der IHK.
Die Landesregierung hofft unterdessen auf Hilfe aus Berlin. Union und SPD wollen künftig mehr für die strukturschwachen Regionen tun. In der abgelaufenen Legislaturperiode hatten sie bereits zwei je 3,5 Milliarden Euro schwere Investitionsprogramme für finanzschwache Kommunen auf den Weg gebracht. Im Gegensatz zum Land und seinen Kommunen sind die Geldsäcke des Bundes ja auch prall gefüllt.