Von ruinöser Heimatliebe
Saarbrücken. Engst beschriebene Blätter sind sein Markenzeichen. Karl August Schleiden, im Mai 80 geworden, ist ein Verfechter heute nur mehr schwerst vermittelbarer Ausführlichkeit
Saarbrücken. Engst beschriebene Blätter sind sein Markenzeichen. Karl August Schleiden, im Mai 80 geworden, ist ein Verfechter heute nur mehr schwerst vermittelbarer Ausführlichkeit. Elf Bände (!) umfasst die Werk-Ausgabe des Wadgasser Schriftstellers Johannes Kirschweng (1900-1952), über 200 kulturgeschichtliche Aufsätze, Jubiläumsschriften, Dialekt- und Denkmal-Abhandlungen listet Schleidens Bibliographie auf.
Wen wundert's, dass sich sein letztes großes Werk - eine Bild-Text-Geschichte zu 1000 Jahren Saarbrücken - in ein nahezu monströses Volumen auswuchs: Zwei Bände in Folianten-Format, 600 Seiten, 2000 historische Fotos. "Das ist mein Lebenswerk, da kann man sich nicht kurz fassen," sagt Schleiden, der in den 50ern mit Klopstock ins Forscherdasein einstieg. Sparen kann man am eigenen geistigen Erbe wohl auch nicht. Also übernahm Schleiden für das Buch, das ursprünglich zum Stadtjubiläum 1999 hätte erscheinen sollen, das finanzielle Risiko. Trat beim Dillinger Krüger-Verlag mit 30000 Euro in Vorleistung. Wie 1962 für den "Saarheimat"-Verlag ("Die Mitte"), als diesem das Aus drohte. Redakteur und Geschäftsführer Schleiden stieg um ins Unternehmertum. Bis 1995 hielt die publizistische Lebensgemeinschaft. Ehrenamtliches Engagement trat hinzu, im Historischen Verein für die Saargegend, im Kuratorium der Stiftung Kulturbesitz, im Landesdenkmalrat. Ohne Schleiden kaum ein kulturgeschichtlicher Saar-Meilenstein in vier Jahrzehnten: die Ludwigskirchen- und Schloss-Sanierung, die Gründung des Regionalgeschichtlichen Museums, der Aufbau der Alten Sammlung. Was für ein mächtiges Kontakt-Netzwerk ist da gewachsen, wie viel Renommee?
Und trotzdem jetzt das. "Seit vier Jahren warte ich auf eine Förderzusage der Landesregierung." Mit 85 000 Euro hatte Schleiden seine Stadtgeschichte kalkuliert. Die Druckvorlage sei fertig, der Verlag habe ebenfalls bereits 20 000 Euro investiert, die man jetzt von ihm, dem Auftraggeber, zurück erwarte. "Ich bin in Bedrängnis. Ich habe alle meine Finanz-Reserven in dieses Buch gesteckt. Es hat mich ruiniert." Schleiden fühlt sich hingehalten, gerade weil er im Kultusministerium intensiv betreut wurde: "Früher war man geachtet und gefürchtet. Ohne Publikations-Plattform ist man ohne Stimme." Das sagt er ohne Bitterkeit. Als Historiker pflegt er eine sachliche Beziehung zu Auf- und Abstiegs-Szenarien. Also mutmaßt er: "Ich rücke die preußenfreundliche Historiografie zurecht, das hat man wohl nicht so gerne. Immer, wenn etwas Schlimmes passierte, etwa der Stadtbrand 1677 oder der Schlossbrand 1793, waren es die Franzosen." Doch letztlich Schuld an Schleidens Debakel sind wohl "Formalien", wie die Nachfrage im Kultusministerium ergibt. Weil zum Zeitpunkt der Antragstellung 2004 das Werk begonnen war und bereits Forderungen der Druckerei im Raum standen, sah man sich "nach Paragraph 44 der Landeshaushaltsordnung" außer Stande, zu helfen. Immerhin überwies die Stadt Saarbrücken 1500 Euro. Beschämend?
Schleidens Enttäuschung lässt sich hinter seiner stoischen Bedächtigkeit nur erahnen. "Ich suche Sponsoren und verkaufe jetzt meine Kunstwerke", sagt er. Jen&;, Uecker, Watteau, Schuler, Schnei - die unorthodoxe Mischung aus Saar- und Weltkunst ist ebenso munter-chaotisch in seiner Eigentumswohnung verteilt wie tausende Bücher und waschkörbeweise Dokumente und Fotos. "Bei mir sieht immer alles nach Arbeit aus", bemerkt Schleiden fast verwundert. Als habe sich seine Heimatliebe selbstständig gemacht. "Es ist das erste Mal, dass ich Förderung beanspruche"
Geschichts-Experte Karl August Schleiden