Serie Saartalk Von Luther-Hype bis Großpfarreien-Streit

Pfarrerin Christine Unrath, die frühere CDU-Politikerin Rita Waschbüsch und Bischof Stephan Ackermann waren zu Gast im Saartalk.

 Die evangelische Pfarrerin Christine Unrath, die ehemalige Vorsitzende der katholischen Laienorganisation ZdK, Rita Waschbüsch, und der Trierer Bischof Stephan Ackermann stellten sich im Saartalk den Fragen der Chefredakteure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ, v.l.n.r.)

Die evangelische Pfarrerin Christine Unrath, die ehemalige Vorsitzende der katholischen Laienorganisation ZdK, Rita Waschbüsch, und der Trierer Bischof Stephan Ackermann stellten sich im Saartalk den Fragen der Chefredakteure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ, v.l.n.r.)

Foto: Oliver Dietze

Der Saartalk ist ein Format von Saarländischem Rundfunk und Saarbrücker Zeitung. Diesmal stellten sich der Trierer Bischof Stephan Ackermann, die Polizeiseelsorgerin und Pfarrerin von St. Wendel, Christine Unrath, sowie die frühere Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, die frühere CDU-Politikerin Rita Waschbüsch, den Fragen der Chefredakteure Norbert Klein (SR) und Peter Stefan Herbst (SZ). Ute Kirch hat das Gespräch in Auszügen dokumentiert.

Herbst: Deutschland hat gewählt, aber eine neue Regierung ist noch nicht in Sicht. Drücken sich FDP und SPD vor der Verantwortung?

WASCHBÜSCH Ich glaube, die größere Drückerei war bei der FDP. Ich kann ein bisschen verstehen, dass die SPD ihre Schwierigkeiten hat, sie muss ja eine Totalkurve machen. (...) Mit ihrer Wende haben die SPD-Leute ihre Verantwortung gezeigt, dass sie wissen, dass es darauf ankommt, gerade in der jetzigen Situation auch in Europa, eine stabile Regierung zu bilden.

Klein: Hinter der politischen Komponente steht eine ethische Frage: Verantwortung.

UNRATH Genau das ist die Frage: Wie geht man verantwortlich mit dem Wählerauftrag um? Als SPD zu sagen, wir müssen uns neu sortieren, ist ein löbliches Unterfangen, aber jetzt gilt es – auch noch mal nach der Ansprache des Bundespräsidenten – zu sehen, wie kann man vielleicht doch über den Schatten springen? (...) Wie können wir weniger der Partei, als mehr dem Land dienen?

Herbst: Passt die Position der CSU – keinen Familiennachzug für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz – zu einer Partei, mit „C“ im Namen?

ACKERMANN Das ist eine wirkliche Frage. Wir haben uns als Bischöfe da klar positioniert. (...) Wir sind für den Familiennachzug in jedem Fall. Man kann nicht auf der einen Seite die Familie als die elementare Zelle der Gesellschaft ansehen und dann Menschen, die hier Zuflucht suchen, das verwehren. (...)

UNRATH Ich kann das vollumfänglich unterstützen. Ich bin klar dafür, den Familiennachzug als absolut verpflichtende Aufgabe zu sehen. Uns in der Härtefallkommission ist es wichtig, zu zeigen, dass, nachdem auch der Rechtsstaat und alle Mittel ausgeschöpft sind, dass uns Einzelfallprüfungen immer wieder gut anstehen in einer Demokratie.

Herbst: Hadern Sie da auch mal mit ihrer Partei oder der Schwesterpartei CSU?

WASCHBÜSCH Ja, in dem Punkt. Ich kann das hier Gesagte unterstützen, aber die Frage der minderjährigen Jugendlichen bitte ich, gesondert zu betrachten. Alle Fachleute sagen, wenn man minderjährige Jugendliche aufnimmt und ihre Familien nachkommen lässt, führt das zur Produktion von Flucht. Das führt dazu, dass 13-, 15-, 16-Jährige losgeschickt werden, damit die Familie nachkommen kann.

Herbst: In diesem Jahr haben wir 500 Jahre Reformation gefeiert. Was bedeutet Ihnen das?

UNRATH Zum einen einen Blick in eine bewegte Kirchengeschichte, aber auch das, was immer auch mit Reformation verbunden ist: Nicht im Vergangenen stecken zu bleiben, sondern mit dem, was die Vergangenheit im Positiven und Negativen geprägt hat, zu schauen, was das für die Gegenwart und die Zukunft aussagt. Das ist für mich das Erbe dieser Reformation.

Klein: Was bleibt für Sie von dem Gedenkjahr auch über die Playmobil-Figur von Luther hinaus?

UNRATH Ja, auch das Luther-Bier wird mal ausgetrunken sein. Es war für uns stellenweise ein bisschen viel Hype. Nudeln und Socken gab es auch. Ich denke, das würde Luther jetzt nicht gefallen. (...) Er hätte sich nicht auf diesen Sockel setzen lassen wollen. (...) Was bleibt? Wir hatten eine Dekade zur Vorbereitung dieses Jubiläums, in der wir sehr viel gelernt haben. Wir sind auf dem Weg gewesen, auch mit den Verletzungsgeschichten, die durch diese Reformation entstanden sind, auch mit den freikirchlichen Christen. Dann haben wir das Verhältnis auch zur römisch-katholischen Kirche in den Blick genommen, die Musik, die Öffnung in die Gesellschaft. Hier müssen wir noch viel weiter arbeiten. Die politischen Fragen, die Fragen nach Kunst, nach der gesellschaftlichen Aufgabe. (...) Es sollte nicht stecken bleiben.

Klein: Die Kirche will Menschen dort ansprechen, wo sie Hilfe brauchen. Muss da nachgelegt werden, anstatt mit Pfarreien-Fusionen nur die Grundversorgung sicherzustellen?

ACKERMANN Bei der Umsetzung dessen, was die Synode beschlossen hat, geht es genau darum, wieder mehr Freiräume für die Priester und Seelsorgerinnen und Seelsorger zu schaffen. Das ist nicht nur eine Frage der Zeit, sondern auch des Vertrauens: dass Menschen spüren, da ist jemand, an den ich mich wenden kann. (...)

Klein: Ist das nicht eine kleine Schwindelei? Wie soll sich ein Einzelner damit identifizieren?

ACKERMANN Wir denken natürlich von der Vorstellung der Pfarrei her, so wie wir sie bisher kennengelernt haben. Wenn wir von Pfarrei sprechen, dann ist da ein Bild, ein Raum, den wir noch so wahrnehmen können. (...) Es ist ja nicht so, dass jetzt noch alles heimelig ist und jetzt alles schlimm wird durch die Synode. Haupt- und ehrenamtlich Engagierte sagen mir seit Jahren: Herr Bischof, wir kommen an unsere Grenzen. Bitte entlasten Sie die Priester, dass sie nicht so viel Verwaltung machen müssen. (...) Wenn wir schlanker und effizienter sein wollen, geht das nur, indem wir Strukturen abbauen und nicht in der Kleinteiligkeit von fast 900 Pfarreien bleiben.

Herbst: Die Protestwelle war groß. Sie wirken auch nicht glücklich...

WASCHBÜSCH Der Bischof hat gesagt, was dabei rauskommen soll. Er hat gesagt, die Verwaltung muss reduziert und die Seelsorge gestärkt werden. Man hätte die Menschen sicher weniger erschreckt mit diesem Vorschlag, wenn man die neuen Einheiten nicht Pfarreien der Zukunft, sondern Verwaltungsbezirke der Zukunft genannt hätte.

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