Vier Menschen im Liebes-Netz

Saarbrücken. Regisseur Martin Pfaff erzählt Goethes Briefroman als Geschichte einer Flucht: Der rastlose Werther, auf der Suche nach dem Absoluten, Richtigen, nach wahrem Gefühl und Schönheit, flieht vor dem Stadtleben in ein Örtchen mit dem sprechenden Namen Wahlheim

Saarbrücken. Regisseur Martin Pfaff erzählt Goethes Briefroman als Geschichte einer Flucht: Der rastlose Werther, auf der Suche nach dem Absoluten, Richtigen, nach wahrem Gefühl und Schönheit, flieht vor dem Stadtleben in ein Örtchen mit dem sprechenden Namen Wahlheim. Wie diese Reise aufs Land sieht Pfaff auch Werthers klammernde Liebe zur verheirateten Charlotte - bei der es in erster Linie um eine Sehnsucht nach Nähe, nicht um Körperlichkeit gehe - als eine Flucht, die in Werthers Selbstmord ihre traurige Konsequenz erfahre. Diese Suche Werthers nach einer inneren (Wahl-)Heimat verortet Pfaff in einer leer geräumten, quasi "Natur-puren" Feuerwache, in der ein schräges Netz (Bühnenbild: Claudia Rohner) als Spielboden installiert ist - mal Ausblickshügel, mal Tanzboden oder Hängematte; mal Symbol für Schwerelosigkeit, dann wieder für trügerisch unsicheren Grund. Ist Wahlheim tatsächlich das ländliche Idyll, zu dem Werther es verklärt? "Erlebt oder erfindet Werther?", fragt Pfaff, indem er kurz vor Werthers Tod das Netz vor Augen des Publikums abbauen lassen will. Ein trauriges, aber kein depressives Stück: Weil Lotte und ihr Gatte Albert, deren Leben durch Werther in Konfusion gerät, dank dieses Unruhestifters doch auch viel Schönes mit ihm zusammen erleben dürften, meint Pfaff. Lottes Ehemann Albert möchte der Regisseur aber nicht als pragmatischen Langweiler und damit unterlegenen Gegenpart zu dem verführerischen Schwärmer Werther anlegen, sondern ihm einen ähnlichen Status zuerkennen: Um dadurch Lottes Gewissenskonflikt zu vergrößern und andererseits Albert dazu zu befähigen, sich in die Lage seiner Frau hineinzuversetzen: "Empathie ist die Basis jedes menschlichen Zusammenlebens", fasst Pfaff eine Erkenntnis zusammen, die dem in seiner Depression narzisstischen und egozentrischen Werther oft abgeht. Pfaff, 1971 in Mayen geboren, ist freier Regisseur und wohnt in Berlin. Am Saarländischen Staatstheater inszenierte er 2006 Zuckmayers "Des Teufels General"; die Arbeit an "Neffe, Vetter, Eiffelturm" musste er wegen einer Erkrankung abgeben. Für "Werther" konnte Pfaff, Fan des jungen Goethe, nun auf seine Wunschbesetzung (Dorothea Lata, Gertrud Kohl, Florian Steiner, Ron Zimmering) zurückgreifen und hat für die tragisch endende Liebesgeschichte eine eigene Bühnentext-Fassung für vier Personen erarbeitet. Denn zusätzlich zur Ménage à trois integriert er Werthers Mutter und gibt damit nicht nur der stürmischen und drängenden Jugend eine Stimme, sondern auch der besonnenen älteren Generation: Um unterschiedliche Lebensentwürfe kontrapunktisch gegenüberzustellen und den Zuschauer einzuladen, verschiedene Positionen einzunehmen.Premiere: Samstag, 17. Januar, 19.30 Uhr, Alte Feuerwache. Karten und Info: Tel. (0681) 30 92-486. www.saarlaendisches-staatstheater.de

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