Vetorecht für Gewalt-Opfer?

Saarbrücken. Ein umfassendes Geständnis beschert Angeklagten vor deutschen Strafgerichten in aller Regel einen deutlichen Strafrabatt. Bis zu einem Drittel der vorgesehen Haftstrafe wird durchaus erlassen, wenn der Täter auspackt, seine Schuld eingesteht

Saarbrücken. Ein umfassendes Geständnis beschert Angeklagten vor deutschen Strafgerichten in aller Regel einen deutlichen Strafrabatt. Bis zu einem Drittel der vorgesehen Haftstrafe wird durchaus erlassen, wenn der Täter auspackt, seine Schuld eingesteht. In Gerichtssälen wird immer öfter beobachtet, dass sich Verteidiger, Staatsanwalt und Richter bei so genannten Rechtsgesprächen auf das Urteil "verständigen", das Strafmaß absprechen. Voraussetzung ist eben das Geständnis des Angeklagten, der damit dem überlasteten Gericht einen aufwendigen und teuren Prozess mit umfassender Beweisaufnahme erspart. Gelegentlich sollen deshalb auch Strafrichter die Prozessbeteiligten zu solchen "Deals" drängen.

Diese Praxis vor der Strafjustiz ist der Opferschutzorganisation "Weisser Ring" ein Dorn im Auge. Ihr Bundesvorsitzender Professor Reinhard Böttcher (Foto: SZ) sagte im Gespräch mit der SZ: "Das Opfer ist an dieser Verständigung in der Regel nicht beteiligt. Genau da fangen die Probleme für uns an." Böttcher, der lange Zeit Präsident des Oberlandesgerichtes in Bamberg war, weist auf die besondere Situation der Opfer von Gewalttaten hin. Wenn etwa eine Vergewaltigung sehr milde abgeurteilt werde, oder der spezielle Fall gar wegen weiterer abzuurteilender Delikte eingestellt werde, könne sich das betroffene Opfer "verhöhnt und missachtet fühlen". Böttcher: "Es kann nicht sein, dass eine Verständigung ohne Beteiligung des Opfers zu Stande kommt." Hier gehe es um die Wertschätzung, die Opfer von der Justiz und von der Politik erfahren. "Wir brauchen bei solchen Verständigungen ein Vetorecht für die Opfer von Gewalttaten." In diesem Zusammenhang lobt der Bundesvorsitzende des "Weissen Rings" eine Gesetzesinitiative der saarländischen Landesregierung, die eben dieses Vetorecht zum Ziel hat und, dass auch die Schadenswiedergutmachung in der der Verfahrensabsprache geregelt werden müsse. Man hoffe, so Böttcher, dass das Thema noch in dieser Legislaturperiode vom Bundesgesetzgeber verabschiedet werde und die Saar-Initiative zu einem Umdenken bei den Berliner Koalitions-Fraktionen von CDU und SPD führe.

Die Mitwirkungsrechte der Opfer in Strafprozessen ist Schwerpunktthema bei einer Fachtagung des saarländischen Landesverbandes des "Weissen Rings" an diesem Samstag im Saarbrücker Hotel Victor's. Neben Böttcher referieren Justizstaatssekretär Wolfgang Schild, eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Strafverteidiger Professor Egon Müller.

Der "Weisse Ring" zählt im Saarland 950 Mitglieder. 2008 haben 60 Ehrenamtliche 180 Opfer betreut.

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