Vater und Tochter auf der Flucht

Saarbrücken. "Sind wir nicht alle Flüchtlinge?" Warum also das Stück nicht einfach mit zwei hellhäutigen Schauspielern besetzen? Nein, so beliebig wollte Dieter Desgranges seine Inszenierung von Henning Mankells "Zeit im Dunkeln" nicht anpacken

 Verena Ayere und Alik Dawson proben für "Zeit im Dunkeln". Foto: Oliver Dietze

Verena Ayere und Alik Dawson proben für "Zeit im Dunkeln". Foto: Oliver Dietze

Saarbrücken. "Sind wir nicht alle Flüchtlinge?" Warum also das Stück nicht einfach mit zwei hellhäutigen Schauspielern besetzen? Nein, so beliebig wollte Dieter Desgranges seine Inszenierung von Henning Mankells "Zeit im Dunkeln" nicht anpacken. Das ursprünglich als Hörspiel konzipierte und daher dialoglastige Kammerspiel handelt von afrikanischen Flüchtlingen, die sich illegal in Deutschland aufhalten. Deshalb suchte der künstlerische Leiter des Theaters im Viertel (TiV) möglichst realistische Darsteller und fand sie in Verena Ayere und Alik Dawson: Beide haben jeweils eine deutsche Mutter und einen westafrikanischen Vater.Die Kulturwissenschaftlerin Ayere kennt man vom Überzwerg-Jugendclub, von der Uni-Theatergruppe ACT und als ehemalige interkulturelle Öffentlichkeitsarbeiterin des Saarländischen Staatstheaters; Dawson ist Assistenzarzt an der Uniklinik Homburg und langjähriges Mitglied der freien Schauspieltruppe TheaterTaxi. Ayere stammt aus Dudweiler, Dawson aus Duisburg. Nun agieren die beiden als Vater und Tochter - zwei von 30 000 illegalen Flüchtlingen, die laut Pro Asyl jährlich nach Deutschland kommen und die Angst vor Verfolgung und Tod in ihrer Heimat gegen die Angst hier tauschen, entdeckt zu werden.

Wie ist es, sein Zuhause zu verlieren? Von Schiebern irgendwohin gekarrt zu werden? Vergeblich auf Weiterreise zu hoffen? Mit einer anderen Kultur, anderen Sprache klarkommen zu müssen? Eine billige, ausgebeutete, rechtlose Arbeitskraft zu sein, die sich nicht wehren kann, weil sie jederzeit denunziert und ausgewiesen werden kann? "Das nervt mich schon lange", sagt Mankell-Fan Desgranges: "In der Berichterstattung gehen illegale Flüchtlinge völlig unter."

Wie es ihnen in der Fremde ergeht, das erzählt Afrika-Spezialist Mankell hier in zugespitzter Form, indem er die klaustrophobische Atmosphäre in der engen Unterkunft durch einen Generationenkonflikt verschärft: Während die Tochter der Realität ins Gesicht sieht und eine mutige Entscheidung fordert, verliert sich der Vater in seiner Trauer um die bei der Überfahrt ertrunkene Mutter und kapselt sich immer mehr ab - eine psychotische, schier ausweglose Situation. "Alle Klischees sind vorhanden, werden aber nicht als solche gezeigt", meint Desgranges. "Es ist schwierig, das Ganze ohne Schablonenhaftigkeit zu erzählen."

Auch wegen diverser Zeitsprünge und Brüche mache es das düstere Stück dem Zuschauer nicht eben leicht. Aber vielleicht hilft ja die eigens von Jazz-Kontrabassist Stefan Scheib komponierte Musik?

Premiere: Donnerstag, 10. November, 20 Uhr, Theater im Viertel, Landwehrplatz. Wieder: 11., 18. und 19. November (18. November: ermäßigter Eintritt für Senioren "60plus"). Karten, Infos: Tel. (0681) 3 90 46 02.

dastiv.de

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