Unsicherheit geht weiter

Homburg. Der Donnerstag war ein kalter Tag, als bei Krupp Gerlach erneut Verhandlungen über eventuelle Entlassungen anstanden. Die Kneipe gegenüber mit dem bezeichnenden Namen "Industrieschenke" machte Reklame für Cordon bleu, gefüllte Frikadellen - und das Lustspiel "Die Erbtante aus Afrika", das der Turnverein Beeden demnächst aufführt

Homburg. Der Donnerstag war ein kalter Tag, als bei Krupp Gerlach erneut Verhandlungen über eventuelle Entlassungen anstanden. Die Kneipe gegenüber mit dem bezeichnenden Namen "Industrieschenke" machte Reklame für Cordon bleu, gefüllte Frikadellen - und das Lustspiel "Die Erbtante aus Afrika", das der Turnverein Beeden demnächst aufführt. Ob eine Erbtante für Krupp Gerlach die Lösung wäre, bezweifeln Betriebsrat und Belegschaft. "Die wollen Leute entlassen und dann durch billige Leiharbeiter ersetzen", so war die einhellige Meinung der Beschäftigten, die am Donnerstag kurz vor 14 Uhr geschlossen aus dem Tor an der Industriestraße herauskamen. Zuvor hatte eine Betriebsversammlung stattgefunden, denn der Abbau von rund 350 Mitarbeitern innerhalb des 888 Mann starken Betriebes, der vorwiegend Bauteile für Dieselmotoren herstellt, steht zur Debatte.

"Es ist ein wichtiges Signal, dass die Geschäftsführung weiterhin gesprächsbereit ist", zog der Betriebsratsvorsitzende Bruno Fischer Bilanz, "wir haben zusammen mit der IG Metall unser Angebot zur Kurzarbeit gemacht. Es wäre schlimm, wenn es zu größeren Entlassungen käme." Zumal Krupp Gerlach innerhalb der großen Homburger Industrie-Betriebe mit schlechtem Beispiel voranginge: "Schaeffler hat bekanntlich auch Probleme", sagte der dortige Betriebsrat Salvatore Vicari, "unserem Betrieb geht's auch nicht rosig, aber die schwierige Zeit wird erst mal mit Kurzarbeit überbrückt. Wieso geht das bei Gerlach nicht?" Auch der Bosch-Betriebsrat Dieter Klein appellierte an die Verantwortung der Krupp Gerlach-Führung: "Bei Bosch geht's doch auch. Warum sucht man nicht die Vernunft?"

Ingo Braun, Mitarbeiter bei Krupp Gerlach, ist enttäuscht: "Keiner weiß, wie's weitergeht. Die Verhandlungen stocken, ich habe kein gutes Gefühl. Die Vorschläge zur Kurzarbeit scheinen nicht anzukommen." Auch Helmut Jost, langjähriger Beschäftigter bei Krupp Gerlach, teilt die Befürchtungen der Kollegen: "Die wollen uns eintauschen gegen Leiharbeiter. Das ist billiger." Martin Zimmermann, der sich vor allem für den Nachwuchs im Betrieb einsetzt, kam betrübt aus der Betriebsversammlung: "Es gibt derzeit keine Bereitschaft, die Azubis wenigstens für ein Jahr zu übernehmen. Dann könnten die doch etwas Berufserfahrung vorweisen und eher eine Stelle finden." Verhandlungsführer Ralf Reinstädtler lässt den Kopf jedoch nicht hängen: "Beide Seiten sind gesprächsbereit. Und ich glaube, dass die Geschäftsführung nach der Sitzung durchaus nachdenklich geworden ist."

Meinung

Verantwortung ist gefragt

Von SZ-Redakteurin

Christine Maack

Niemand bestreitet, dass die Industrie von der Krise besonders hart getroffen wurde, denn sie muss ihre Produkte auf dem Weltmarkt verkaufen, auf dem deutlich weniger Geld kursiert. Die großen Betriebe haben daraufhin nicht reflexartig Tausende von Leuten "freigesetzt", sondern sie versuchen, mit Unterstützung der Bundesregierung, sie mit Kurzarbeit zu halten. Das hat größere soziale Unruhen im Land verhindert. Das gilt auch für Homburg, wo viele Arbeitsplätze von der Industrie abhängen. Die Gewerkschaften haben es zum Glück aufgegeben, ständig die fiesen Banker wortgewaltig für den Schlamassel anzuprangern, den der "kleine Mann" jetzt auslöffeln muss. Das ist in der Sache zwar nicht falsch, hilft aber niemandem weiter. Es ging am Donnerstag um die Sache. Und da hoffen die Beschäftigten, dass noch wenige Monate überbrückt werden können, damit die größten Härten, die bei sofortigen Entlassungen einträten, vermieden werden können. Das sollte gelingen.

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