Interview Transparency International „Ungute Verknüpfung von Politik und Sport“

Die Korruptionsexpertin Sylvia Schenk spricht in Saarbrücken über „Moral und Ethik im Ehrenamt“. Sie nimmt auch zum LSVS Stellung.

 Hunderttausende Saarländer engagieren sich ehrenamtlich – zum Beispiel als Übergangsleiter in einem Sportverein oder in vielen anderen Bereichen außerhalb des Sports. 

Hunderttausende Saarländer engagieren sich ehrenamtlich – zum Beispiel als Übergangsleiter in einem Sportverein oder in vielen anderen Bereichen außerhalb des Sports. 

Foto: picture-alliance / obs/dpa Picture-Alliance/Deutscher

Frau Schenk, wann genau ist eine Tätigkeit eigentlich ein Ehrenamt?

SCHENK Es gibt mehrere Aspekte der Unterscheidung. Zum einen muss unterschieden werden, ob man in das Amt gewählt wird oder ob die Tätigkeit daraus besteht, zum Beispiel spontan bei einem Vereinsfest auszuhelfen. Ich habe da einen sehr breiten Ansatz und zähle auch einmalige Tätigkeiten zum Ehrenamt dazu. Zum anderen steht die finanzielle Frage im Raum. Bekommt ein Ehrenamtlicher kein Geld, außer die Rückerstattung von angefallenen Kosten wie zum Beispiel Fahrtkosten oder Materialkosten, was bei den meisten Ehrenamtlichen der Fall ist, oder gibt es eine Aufwandsentschädigung? In den meisten Vereinen, das kann bis zur Landessportbund-Ebene oder auch Bundesebene gehen, gibt es normalerweise kein Geld. Manche Landessportbünde zahlen manchen Ehrenamtlichen zum Beispiel eine Aufwandsentschädigung von 150 Euro, erwarten dann aber, dass Telefonate, Briefmarken und weiteres nicht einzeln abgerechnet werden. Das Steuerrecht sieht dafür sogar die steuerfreie Ehrenamtspauschale von 720 Euro im Jahr sowie die Übungsleiterpauschale von 2400 Euro vor. Die meisten dieser Ehrenamtlichen zahlen dann noch drauf. Es gibt aber auch den Deutschen Fußballbund: Da bekommen Präsidiumsmitglieder monatliche Beträge im Tausenderbereich.

Ist das dann überhaupt noch ein Ehrenamt?

SCHENK Nein, es ist aber auch keine berufliche Tätigkeit. Diese Beträge müssen natürlich versteuert werden. Es ist immer noch ein privatrechtliches Wahlamt. Ehrenamtliche in einer solchen Position können abgewählt werden, bekommen keine Abfindung und können sich auch nicht ans Arbeitsgericht wenden. Wenn es sich bei der Aufwandsentschädigung um Beträge von 1000 oder 2000 Euro handelt, würde ich es aber nicht mehr als Ehrenamt bezeichnen. Das ist eine bezahlte Tätigkeit und dafür muss man andere Begrifflichkeiten finden.

Welche unterschiedlichen Ehrenämter gibt es im Sport?

SCHENK Auf der untersten Ebene gibt es den Vereinsvorstand. Es gibt sicherlich Übungsleiter, die überhaupt kein Geld bekommen, es gibt aber auch welche, die bekommen 7,50 Euro pro Stunde. Das ist dann mehr so eine Art Anerkennung und gleichzeitig eine Entlastung für die angefallenen Unkosten. Eine Tätigkeit mit einer solchen Aufwandsentschädigung würde ich auch noch zum Ehrenamt dazuzählen. Es gibt aber auch Übungsleiter, die vielleicht 25 Euro pro Stunde bekommen. Danach kommt die Sportkreisebene. Es gibt die Landesverbände, welche wiederum in Kreisverbände unterteilt sind. Das ist alles ehrenamtlich. Die Ehrenamtlichen in diesen Verbänden bekommen normalerweise gar nichts. In Deutschland gibt es Millionen von Ehrenamtlichen und die meisten von ihnen bekommen kein Geld.

Wie können Ehrenämter missbraucht werden?

SCHENK Missbraucht werden kann natürlich immer alles, nicht nur ein Ehrenamt in einem Sportverein. Die Frage ist, was unter Missbrauch verstanden wird. Es gibt zum Beispiel Anwälte, die lassen sich im Tennisverein oder im Golf-Club in den Vorstand wählen, um darüber nochmal zusätzliche Kontakte für ihre Kanzlei zu bekommen. Ist das ein Missbrauch oder nicht? Wenn man zwischen der ehrenamtlichen und beruflichen Tätigkeit klar trennt, also keinen Interessenkonflikt eingeht, ist es kein Missbrauch. Dann ist es nur „ich nutze meine Freizeit, um zusätzliche Kontakte zu bekommen, und tue dabei etwas Gutes“.

Würden Sie sagen, dass ein Missbrauch eines Ehrenamtes an den Personen in diesen Ämtern liegt oder an den Strukturen, die so etwas zulassen?

SCHENK Es liegt immer an beiden Faktoren. Um zum Beispiel Geld zu veruntreuen, brauche ich eine gewisse kriminelle Energie und mangelnde Kontrollen, die das Vorgehen erleichtern oder sogar dazu ermuntern. Nur die Strukturen zu ändern, reicht nicht. Die beteiligten Personen müssen auch entsprechend geschult werden. Es muss ein Bewusstsein geschaffen werden, wie man im Ehrenamt mit bestimmten Problemen und Situationen umzugehen hat. Auf der anderen Seite nutzt es auch nichts, nur die Menschen auszutauschen, wenn man bestehende unzureichende Strukturen beibehält. Insofern muss an allem gearbeitet werden. Die Strukturen müssen die Ausbalancierung von Macht sowie Kontrollen gewährleisten. Dazu gehören zum Beispiel auch klare Verantwortlichkeiten und ordentliche Berichtspflichten, damit Vorgänge nachvollziehbar sind.

Was sagen Sie zur Affäre beim Landessportverband im Saarland?

SCHENK Ich glaube, das Problem, wie es sich im LSVS zeigt, ist – neben möglichen persönlichen Verfehlungen – eine ungute Verknüpfung zwischen einem politischen Amt und einem Ehrenamt sowie mangelnde Organisation des Finanzwesens. Es wird im Sport oft gerne ein Politiker gewählt, weil man denkt, dass der Verband dann zusätzliche Kontakte bekommt und dadurch einen Vorteil haben könnte. Das ist immer gefährlich. Wenn eben jemand zu selbstgefällig wird, sich selbst zu wichtig nimmt, dann kann es dazu kommen, dass geschaltet und gewaltet wird, wie man will. Im Saarland haben anscheinend Kontrollen gefehlt oder dass einfach mal jemand den Mund aufmacht.

Politik und Ehrenamt gehören Ihrer Ansicht nach wegen eines Interessenkonfliktes nicht zusammen?

SCHENK Es ist immer ungut und kann sehr schnell zu Interessenkonflikten führen. Das heißt aber nicht, dass zum Beispiel ein kommunaler Stadtverordneter nicht auch in einem Verein tätig sein kann. Die meisten Gemeindeordnungen sehen es sowieso vor, dass jemand nicht mitstimmen darf, wenn sein eigener Verein davon betroffen ist. Wenn man anfangen würde, Sport und Politik radikal zu trennen, dann würde entweder die Gemeindepolitik oder der Sport viele Leute verlieren. Deswegen schließe ich nicht aus, dass Politik und Ehrenamt auch funktionieren kann, es kommt aber auf die Ebene an und man muss schauen, wo Interessenkonflikte entstehen könnten, und sich derer bewusst sein.

 Sylvia Schenk leitet bei Transparency International die Arbeitsgruppe Sport.

Sylvia Schenk leitet bei Transparency International die Arbeitsgruppe Sport.

Foto: Sylvia Schenk/Fotostudio T.W. Klein www.tw-kle

Der Vortrag wird von „Pro Ehrenamt“ am kommenden Mittwoch, 4. April, veranstaltet. Referentin ist Sylvia Schenk, Leiterin der Arbeitsgruppe Sport bei Transparency International. Beginn ist um 18 Uhr im Bürgerzentrum im Mühlenviertel, Richard-Wagner-Straße 6 in Saarbrücken.

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