Krankheiten Streit im Saarland um Infektionskrankheiten

Saarbrücken · Laut AfD-Politiker Lutz Hecker gehen gestiegene Fallzahlen womöglich auf Flüchtlinge zurück. Wissenschaftlich ist dies aber offenbar nicht haltbar.

 Narben im Hüftbereich eines Mannes erinnern an eine Überstandene Skabies (Krätze) Erkrankung.(Symbolbild)

Narben im Hüftbereich eines Mannes erinnern an eine Überstandene Skabies (Krätze) Erkrankung.(Symbolbild)

Foto: dpa/Henning Kaiser

Wie viele Fälle von Kopflausbefall, Infektionskrankheiten wie Tuberkulose oder parasitäre Erkrankungen etwa verursacht durch Krätzmilben gibt es seit dem Jahr 2014 im Saarland? Das wollte der AfD-Landtagsabgeordnete Lutz Hecker von der Landesregierung wissen. Ihm seien vermehrt Berichte über das Auftreten und die Zunahme bestimmter Infektionskrankheiten, gerade auch in Schulen und Kitas, aufgefallen.

Wie aus den Zahlen, die die Landesregierung bei den Gesundheitsbehörden der Landkreise und des Regionalverbands abgefragt hat, hervorgeht, bleiben in den Jahren 2014 bis 2017 die meisten Fallzahlen konstant. Jedoch verzeichnet der Landkreis Saarlouis bei Krätze Hepatitis A und E, sowie bei Fällen von Kopfläusen im Jahr 2017 eine stärkere Zunahme. Lagen 2014 noch keine Krätze-Fälle vor, waren es 2015 drei Fälle, 2016 neun Fälle, im Vorjahr waren es jedoch 47. Alle Fälle traten demnach im Kinder- und Jugendbereich auf.

 Jürgen Rissland

Jürgen Rissland

Foto: Rissland

Auch bei den Kopfläusen gab es in den übrigen Kreisen keine nennenswerten Unterschiede. Im Kreis Saarlouis jedoch stiegen die Zahlen von 232 im Jahr 2014 auf 350 im Jahr 2017. Auch bei der Hepatitis A liegt der Landkreis vorn. 14 Fälle gab es dort 2017 (2014 waren es vier). Bei der Hepatitis E liegt der Saarpfalz-Kreis mit 13 Fällen vor Merzig-Wadern (11 Fälle).

Bei der Tuberkulose blieben in den vier Jahren die Zahlen relativ konstant. Eine leichte Schwankung nach oben verzeichnet der Landkreis Neunkirchen im Jahr 2017 auf 13 Fälle (2014: 9 Fälle, 2015 und 2016: je 6 Fälle). Auf Wunsch des AfD-Abgeordneten wurde auch nach Nationalität aufgeschlüsselt. Waren in den vier Jahren 227 Tuberkulose-Fälle gemeldet worden, waren davon 127 Deutsche (55,9 Prozent).

Auf Heckers Frage, ob die Landesregierung einen Zusammenhang zwischen dem vermehrten Zuzug von Migranten und Flüchtlingen und der Zunahme der genannten Erkrankungen sieht, braucht die Landesregierung nur ein Wort zur Antwort: „Nein“.

„Die Zahlen sind für mich überhaupt kein Grund zur Besorgnis“, sagt der Vorsitzende des Landesverbandes Saarland der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Jürgen Rissland. Absolute Zahlen seien wenig aussagekräftig. „Insgesamt sind die Zahlen sehr niedrig. Und das bedeutet, dass schon wenige Fälle mehr zu vermeintlich starken prozentualen Anstiegen führen“, sagt der Mediziner, der zudem Oberarzt am Zentrum für Infektionsmedizin des Uniklinikums Homburg ist. Rissland hat daher die gemeldeten Fälle mit der Größe der Einwohner je Landkreis verglichen. So kämen im Jahr 2017 im Landkreis Merzig-Wadern 10,59 Fälle von Hepatitis E auf 100 000 Bewohner, im Saarpfalz-Kreis seien es 9,05 Personen. Dabei verzeichne die Statistik in Merzig-Wadern elf und im Saarpfalz-Kreis 13 Fälle.

Ein Anstieg bedeute grundsätzlich auch nicht automatisch, dass es mehr Betroffene gebe: Die Zunahme an Hepatitis E-Erkrankten im Saarpfalz-Kreis von drei im Jahr 2014 auf 13 im Jahr 2017 beispielsweise hänge mit einem neuen Testverfahren an der Uniklinik zusammen, das nun standardmäßig eingesetzt werde. Früher sei diese Infektion seltener entdeckt worden, da Betroffene meist keine Symptome zeigten.

Was die gemeldeten Fälle von Krätze und Kopfläusen im Kreis Saarlouis angehe, zeige die Statistik schlichtweg ein unzureichendes Bild der Situation, da für Läuse und Krätze gar keine allgemeine Meldepflicht bestehe. Zwar seien Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen – darunter fallen etwa Kitas und Schulen, aber eben auch die Landeserstaufnahmestelle in Lebach – verpflichtet, wenn diese Erreger bei dort untergebrachten, betreuten oder tätigen Personen festgestellt werden. „Aber all die Fälle von Krätze oder Kopfläusen, die in privaten Haushalten auftreten und von niedergelassenen Ärzten behandelt werden, tauchen in der Statistik nie auf, weil sie den Gesundheitsämtern nicht gemeldet werden müssen“, sagt Rissland. Auch die Tuberkulose-Rate unter Ausländern lasse keinen Rückschluss zu, ob sie häufiger an Tuberkulose erkranken als Deutsche. Denn während Asylsuchende sofort nach ihrer Ankunft in Deutschland unter anderem auf Tuberkulose untersucht würden, gebe es ein solches Screening bei allen anderen hierzulande lebenden Menschen nicht. Und gerade unter bestimmten Rahmenbedingungen wie Drogenabhängigkeit oder Obdachlosigkeit steige das Tuberkulose-Risiko typischerweise.

Um verlässliche Aussagen über ansteigende oder abfallende Fallzahlen bei Infektionskrankheiten zu machen, müssten die Zahlen ohnehin über einen längeren Zeitraum als vier Jahre beobachtet werden. „Auch vor der Zuwanderungswelle hat es bei einzelnen Erkrankungen in manchen Jahren wie aus dem Nichts ungewöhnlich viele Fälle gegeben“, sagt Rissland.

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