Stiefsohn schildert Martyrium

Saarbrücken · Es scheint unvorstellbar, was ein 24-Jähriger als Kind und Jugendlicher in Losheim erlebt haben muss: Seit er vier Jahre alt war, soll ihn seine Stiefmutter geschlagen, getreten und gedemütigt haben. Zudem sei er gefesselt worden, musste hungern und auf dem Boden eines nicht geheizten Wintergartens schlafen. Gestern sagte der Mann im Prozess gegen die Frau erstmals vor dem Landgericht aus. Erst mit 17 Jahren habe er sich dem Jugendamt offenbart.

"Es fing mit drei, vier Jahren an und mit zunehmendem Alter wurde es immer schlimmer", sagte er. "Es war grundlos, ich weiß nicht, warum sie das tat." Einmal habe er Schokolade, die er von seiner Oma geschenkt bekommen hatte, nicht bei der Stiefmutter abgegeben: "Da hat sie mich mit dem Kopf über die Kloschüssel gehalten und mit der Faust sämtliche Vorderzähne ausgeschlagen." Auch habe sie ihm bewusst Schmerzen mit einem Feuerzeug und am Herd zugefügt, tagelang hungern lassen, ihm den Mund mit Klebeband zugeklebt und mit einer Wäscheleine gefesselt. Von Mitschülern habe er Brote gestohlen und zu Hause versteckt, damit er am Wochenende etwas essen konnte. Ein Gutachten zeigt, dass der Junge ein schweres Wachstumsdefizit aufgrund einer kontinuierlichen Unterernährung erlitt. Die Ohren hätten sich deformiert, Armbrüche seien nicht versorgt worden, ein Oberarm sei verformt und verkürzt.

Auf die Frage des Richters, ob er nie den Vater um Hilfe gebeten hätte, sagte der 24-Jährige: "Nein, das habe ich nie gemacht. Mir war klar, dass er einiges wusste." Während der junge Mann die Misshandlungen schilderte, stützte der Vater sein Gesicht in die Hände. Die Stiefmutter schaute die gesamte Zeit über regungslos den Richter an und machte sich Notizen. Vor Gericht haben die beiden bislang alle Vorwürfe bestritten. Bis Ende August sind sieben weitere Verhandlungstage angesetzt.

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