60 Jahre Sportlehrerverband Saar „Sportunterricht fördert Persönlichkeit“

Der Sportlehrerverband feiert 60-jähriges Bestehen. In der Zeit hat sich der Sportunterricht stark gewandelt.

 Während früher im Sportunterricht der Leistungsgedanke im Vordergrund stand, sind es heute die Freude an der Bewegung und am gemeinsamen Spielen.

Während früher im Sportunterricht der Leistungsgedanke im Vordergrund stand, sind es heute die Freude an der Bewegung und am gemeinsamen Spielen.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

In 60 Jahren, die der saarländische Landesverband des Deutschen Sportlehrerverbandes am Sonntag feiert, hat sich die Art des Sportunterrichts verändert, nicht aber seine Bedeutung, findet Verbandspräsident, Uni-Professor Georg Wydra, im SZ-Interview. Neben der Bedeutung für die Gesundheit trage er zur Persönlichkeitsentwicklung bei.

Der Sportunterricht ist im schulischen Alltag oft ein Stiefkind. Ist die Akzeptanz in den vergangenen Jahrzehnten größer geworden?

WYDRA Eher im Gegenteil. Das beste Beispiel dafür ist, dass im Saarland vor über 20 Jahren die dritte Sportstunde abgeschafft wurde. Die Diskussion um Bildungsstandards hat den Fokus eher auf Lesen, Schreiben, Rechnen und Naturwissenschaften gelegt. Dabei läuft der ganze ästhetische Bereich also Musik, Kunst, Sport und Religion Gefahr, dass er hinten runterfällt. Oft gibt es von Politikern leider nur Lippenbekenntnisse. Solange jemand nicht in der Verantwortung ist und nicht den Geldbeutel aufmachen muss, solange sind sie natürlich für mehr Sportunterricht. Aber Bildungspolitik wird im Saarland ja vom Finanzminister gemacht, und die Ressourcen sind begrenzt.

Reicht die aktuelle Sportstundenzahl von zwei Schulstunden pro Woche aus für eine gesunde Entwicklung?

WYDRA Das sind bloß auf dem Papier 90 Minuten. Aber in der Realität haben wir Ausfallzeiten etwa dadurch, dass die Schülerinnen und Schüler zunächst einmal in die Turnhalle oder ins Schwimmbad müssen, sich umziehen müssen und nachher zurück müssen. Am Ende bleiben weniger als 60 Minuten Unterricht. Ganz schlimm ist das beim Schwimmen. Da sind Wasserzeiten von 20 bis 25 Minuten die Regel. Daher müsste – wenn es schon nicht die dritte Sportstunde gibt – zumindest der Sportunterricht so eingeplant werden, dass das Recht der Kinder auf eine Doppelstunde Sportunterricht tatsächlich umgesetzt wird. Das wäre auch kostenneutral möglich.

Natürlich tut Sportunterricht der Gesundheit gut. Er verbessert aber auch die Konzentrationsfähigkeit. Es gibt weniger Unterrichtsstörung an Tagen mit Sportunterricht. Aber noch wichtiger ist, dass Bewegung, Spiel und Sport Kulturgüter darstellen. Denn was macht das menschliche Leben eigentlich aus? Eben nicht alleine die Arbeit. Friedrich Schiller hat in seinen Briefen zur ästhetischen Erziehung zum Ausdruck gebracht, dass der Mensch nur da wirklich Mensch ist, wo er spielt. Wozu ist Spielen gut? Für gar nichts! Aber genau das macht das menschliche Leben aus und bereichert es.

Sind Kinder heute unbeweglicher als noch vor 30 Jahren?

WYDRA Es gibt viele Untersuchungen, die das nahelegen und zeigen, dass die körperliche Leistungsfähigkeit der Kinder in Industrienationen in den letzten 50 Jahren abgenommen hat und zwar in besorgniserregender Weise. Neben der sportlichen Leistungsfähigkeit ist eine sinkende Fitness auch mit gesundheitlichen Problemen verbunden. Das sollte eigentlich alle Verantwortlichen wachrütteln.

Wie hat sich der Sportunterricht in den 60 Jahren verändert?

WYDRA Der moderne Sportunterricht hat relativ wenig mit dem zu tun, was man noch in den 70er- oder 80er-Jahren angepriesen hat. Es geht heute um Fairness- und Sozialerziehung und die Persönlichkeitsentwicklung, nicht mehr so sehr um die Vermittlung von Sportarten und den Leistungsgedanken wie in Sportvereinen. Über 60 Prozent der Zeit wird mit Spielen wie Ball- oder Fangenspielen verbracht. Das, was früher dem ein oder anderen die Lust am Sport verdorben hat, wie das Geräteturnen und Konditionstraining, sind heute in den Hintergrund gedrängt worden.

Wie ist es um die Sportlehrerausbildung bestellt?

WYDRA Wir sind auf einem guten Weg. Die Lehrerinnen und Lehrer, die in den letzten zehn Jahren die Universitäten verlassen haben, haben die neuen didaktischen Modelle kennengelernt. Der einzige Bereich, der mir da Sorgen bereitet, sind die Grundschulen. Hier ist im Studium Sport ein freiwilliges Wahlmodul. So lassen wir in den Grundschulen viele Lehrerinnen und Lehrer auf die Kinder los, ohne dass sie auch nur eine rudimentäre Ausbildung im Sport hätten. Hier weiß man, dass dabei sehr wenig herauskommt. Gerade bei Kindern dieses Alters kann man die Grundlagen legen – positiv wie negativ. Man kann die Freude an der Bewegung vermitteln oder die Lust am Sport austreiben.

Was ist wichtiger für die sportliche Entwicklung eines Kindes, die Schule oder das Vorbild der Eltern?

 Georg Wydra, Präsident des saarländischen Landesverbands des Deutschen Sportlehrerverbands.

Georg Wydra, Präsident des saarländischen Landesverbands des Deutschen Sportlehrerverbands.

Foto: Georg Wydra

WYDRA Ich denke, nach wie vor in hohem Maße das Vorbild der Eltern, auch wenn gleiche Bildungschancen für alle, unabhängig von der Herkunft, immer wieder gefordert werden. Eben weil nur der Sportunterricht alle Kinder anspricht, ist es wichtig, dass wir ihn schon in der Grundschule ernst nehmen.

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