Sachgrundlose Befristungen SPD und Linke streiten über Glaubwürdigkeit

Saarbrücken · Die SPD will sachgrundlose Befristungen abschaffen. Doch in Saar-Behörden gibt es über 200 solcher Jobs. Wie passt das zusammen?

 Viele Arbeitsverhältnisse werden heutzutage erst einmal befristet. Das gilt auch für die saarländische Landesverwaltung. In den Ministerien und Behörden gab es Ende 2016 exakt 505 befristete Jobs.

Viele Arbeitsverhältnisse werden heutzutage erst einmal befristet. Das gilt auch für die saarländische Landesverwaltung. In den Ministerien und Behörden gab es Ende 2016 exakt 505 befristete Jobs.

Foto: picture alliance / Jens Schieren/Jens Schierenbeck

In den Koalitionsverhandlungen mit der Union liegt den Sozialdemokraten ein Thema besonders am Herzen: die Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen. „Befristete Arbeitsverhältnisse machen gerade für junge Menschen eine langfristige Planung sowohl in beruflicher als auch in privater Hinsicht schwierig – sie erschwert beispielsweise die Unterzeichnung eines Mietvertrages oder einer Kreditaufnahme“, sagt SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn. Das Saarland ist ein Industrieland, da scheint das Thema besonders relevant.

Die Linke findet die Forderung der Saar-Genossen richtig, aber ihr Landesvorsitzender Jochen Flackus hält sie angesichts der Personalpolitik der SPD-geführten Ministerien und Behörden im Land für den „Gipfel der Unredlichkeit“. Denn nach offiziellen Angaben der Landesregierung, die Flackus 2017 angefordert hatte, ist die Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse in den Ministerien und Behörden des Landes seit 2009 deutlich gestiegen, seit dem Amtsantritt der schwarz-roten Landesregierung im Jahr 2012 von 271 auf 505 im Jahr 2016. Die Zahl der sachgrundlosen Befristungen hat sich seither von 90 auf 210 mehr als verdoppelt. Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass es 2016 für knapp 42 Prozent der Befristungen in der Landesverwaltung keinen Sachgrund gab.

Flackus weist nach, dass auch in den SPD-Ministerien befristete Arbeitsverhältnisse ohne Sachgrund abgeschlossen worden sind. „Da wirkt es wenig glaubwürdig, wenn der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion nun eine Abschaffung der sachgrundlosen Befristung fordert. Eine solche Verhaltensweise führt dazu, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger das Vertrauen in die Politik verlieren und sich enttäuscht abwenden.“

„Unredlich“ wiederum findet SPD-Fraktionschef Pauluhn die Kritik der Linken. „Es liegt doch auf der Hand, dass die Linken hier der SPD schaden wollen, anstatt sich für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einsetzen zu wollen.“ Die SPD übernehme seit Jahren Verantwortung für Arbeitnehmer und kämpfe für eine Verbesserung. Deshalb müssten die Sozialdemokraten diese Verbesserung jetzt auch ganz klar in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen. Es gehe bei der Debatte um den Missbrauch sachgrundloser Befristungen, der zur Regel gemacht worden sei, „insbesondere in der freien Wirtschaft“. Flackus‘ Kritik trage nicht zu einer sachlichen Diskussion um eine Änderung des Befristungsrechts und einer Abschaffung der sachgrundlosen Befristung bei.

Der Koalitionspartner der SPD im Land, die CDU, hat zu dem Thema eine etwas andere Ansicht: Man habe durchaus Sympathie für die Forderung nach Abschaffung sachgrundloser Befristungen, wird aus der Partei versichert. Aber Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) machte in der „Bild am Sonntag“ auch klar: Vor allem im öffentlichen Dienst gebe es viele Befristungen: „Bevor wir mit dem Finger auf andere zeigen, sollten wir also selbst mit gutem Beispiel vorangehen, indem wir etwa die Praxis der Ketten-Anschlussverträge im öffentlichen Dienst beenden.“

Bloß, woran hängt’s? Darauf lieferte CDU-Fraktionschef Tobias Hans vergangene Woche eine Antwort: Als Haushaltsnotlageland, so seine Argumentation sinngemäß, müsse das Saarland mit Befristungen im öffentlichen Dienst leben. Aufschlussreich wird die Statistik der Landesregierung nämlich, wenn man etwas tiefer in die Zahlen eintaucht. Dann sieht man, dass die Zahl der befristeten Jobs beim Land insbesondere in den Jahren 2015 und 2016 entstanden sind, als es Tausende von Flüchtlingen unterzubringen und zu betreuen galt. Die befristeten Jobs sind vor allem in jenen Behörden entstanden, die mit diesem Thema zu tun hatten, etwa bei der Polizei oder in der Landesaufnahmestelle.

Immerhin, hier und da sind Stellen in den vergangenen Monaten entfristet worden. Pauluhn verweist auf den Polizeilichen Ordnungsdienst (POD): „Den Anfang haben wir gemacht.“

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