Saar-Landesverband Sorge vor Spaltung der Linken

Saarbrücken · Die Liste für die Bundestagswahl steht. Das Lager von Oskar Lafontaine ist enttäuscht.

 Thomas Lutze sitzt seit 2009 im Deutschen Bundestag. Eine Mitgliederversammlung der Saar-Linken wählte den 47-Jährigen gestern erneut zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.Foto: Melde/Bundestag

Thomas Lutze sitzt seit 2009 im Deutschen Bundestag. Eine Mitgliederversammlung der Saar-Linken wählte den 47-Jährigen gestern erneut zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.Foto: Melde/Bundestag

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Als die Stimmen ausgezählt waren und Thomas Lutze als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl feststand, schüttelte Oskar Lafontaine dem Sieger kurz die Hand, verließ die Halle, setzte sich ans Steuer seines Kleinwagens und brauste davon. Lafontaine und Lutze sind, vorsichtig ausgedrückt, keine Freunde. Anders als 2013, als der Fraktionschef die frühere Tennisspielerin Claudia Kohde-Kilsch als Spitzenkandidatin installieren wollte und die Mitglieder dennoch Lutze wählten, verzichtete er diesmal auf eine Wahlempfehlung. Lutze hatte vor der Mitgliederversammlung geklagt, führende Köpfe im Landesverband hätten krampfhaft Gegenkandidaten gesucht, um ihn wegzubekommen - es blieb aber unklar, wen er damit meinte.

Das Ergebnis war am Ende recht eindeutig: Lutze bekam in der Klarenthaler Sporthalle 317 Stimmen, Dennis Bard, Mitarbeiter in Lafontaines Landtagsfraktion, 179 und die stellvertretende Landesvorsitzende und Ex-Landtagsabgeordnete Heike Kugler 56. Die Favoritenrolle Lutzes war schon am Applaus nach den Vorstellungsreden zu erkennen. Lutze hatte die Linke als "linke, sozialistische Alternative zum neoliberalen Einheitsbrei" bezeichnet. In der Arbeits- und Sozialpolitik seien keine bloßen Korrekturen nötig, wie sie die SPD anstrebt, sondern "ein Politikwechsel, der sich gewaschen hat". Als Ziel für die Bundestagswahl im Saarland formulierte er ein Ergebnis "deutlich im zweistelligen Bereich". Vor vier Jahren hatte die Linke im Saarland 10,0 Prozent erhalten. Lafontaine hatte sich damals aus dem Wahlkampf im Saarland komplett herausgehalten, er wollte Lutze nicht unterstützen.

Gestern wollte er keine Stellung zur Wahl Lutzes beziehen. In seiner Umgebung hieß es, er sei nicht gerade begeistert. Als er die Versammlung schon verlassen hatte, demonstrierte das Lutze-Lager erneut, dass es die Mehrheit hat: bei der Wahl des zweiten Listenplatzes, der aussichtslos ist. Kopfschüttelnd verfolgten die Lafontaine-Leute, wie für diesen Platz Lutzes Mitarbeiterin Andrea Neumann, Vorsitzende des Kreisverbandes Neunkirchen, ins Rennen ging und sich mit 193:182 Stimmen gegen die Beckinger Unternehmerin Marilyn Heib durchsetzte.

Im Anschluss machte unter Lutzes Gegnern das Wort "Parteispaltung" die Runde. Volker Schneider, von 2005 bis 2009 Bundestagsabgeordneter und heute angestellter Geschäftsführer der Linken-Bundestagsfraktion, sagte der SZ: "Ich befürchte, dass das die Spaltung der Partei zur Folge haben wird. Alle Warnungen davor sind in den Wind geschlagen worden." Er selbst werde die Saar-Linke verlassen und in den Landesverband Berlin wechseln. Die Landesvorsitzende Astrid Schramm sagte auf die Frage, ob die Partei nun gespalten sei: "Ich hoffe nein." Der Landesvorstand müsse nun alles aufarbeiten und nachdenken, wie man die Enttäuschten motivieren könne, sich im Wahlkampf zu engagieren. Dass Lutzes Mitarbeiterin auf Platz zwei stehe, habe "sicherlich ein Geschmäckle".

Lutze allerdings verwies darauf, sein Gegenkandidat Dennis Bard sei doch auch Fraktionsangestellter. Wenn, dann müsse man das gleichbehandeln. Und überhaupt: Eine Spaltung sei 2013 auch schon befürchtet worden und nicht eingetreten. Das Klima bei der Versammlung gestern sei "wesentlich vernünftiger" gewesen als 2013.

Ganz vergleichbar ist die Situation mit 2013 in der Tat nicht: Oskar Lafontaine will sich diesmal im Wahlkampf reinhängen. Schließlich geht es bei der Bundestagswahl auch um die Karriere seiner Frau Sahra Wagenknecht.

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