„Sie nehmen Anne so an, wie sie ist“

St Wendel · Die Arbeit mit Kindern gefällt Anne Simon. So etwas kann sie sich auch für ihre Zukunft vorstellen. Trotz Handicap soll die junge Frau die Chance auf einen normalen Job haben. Praktika sind ein erster Schritt dahin.

 Anne Simon (grünes T-Shit hinten) genießt das Spiel mit den Kindern im SandkastenFoto: Schnur

Anne Simon (grünes T-Shit hinten) genießt das Spiel mit den Kindern im SandkastenFoto: Schnur

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Die 20-jährige Anne Simon fährt jeden Morgen mit dem Zug von Türkismühle nach St. Wendel. Vom Bahnhof macht sie sich dann zu Fuß auf den Weg Richtung Kirmesplatz, denn um 9 Uhr beginnt ihr Praktikum im Kindergarten "Rasselbande". Schafft sie es einmal nicht pünktlich, ruft sie im Kindergarten an, verlangt die Chefin, und gibt ihr über die Verspätung Bescheid. Nur ein Grund weshalb die Chefin sehr zufrieden mit der Praktikantin ist. "Sie akzeptiert alles, was man ihr sagt, und das merkt sie sich dann auch", sagt Elvira Müller, Leiterin des Kindergartens. Und dann fügt sie noch hinzu: "Das hat mich positiv überrascht" - denn Anne ist behindert. Pünktlichkeit, alleine öffentliche Verkehrsmittel benutzen, sich in einer Stadt zurechtfinden und Anweisungen befolgen - was vielleicht erst einmal nach Selbstverständlichkeiten klingt, kann für Menschen mit körperlicher und/oder geistiger Beeinträchtigung eine große Herausforderung darstellen und muss teilweise erst gelernt werden. Oft wird deshalb versucht, ihnen diese Herausforderungen zu "ersparen." Doch das bedeute in auch, ihnen dadurch die Möglichkeit auf ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben zu nehmen - und damit auch die Chance auf einen regulären Arbeitsplatz. Doch das ist weder sinnvoll noch notwendig. Anne Simon ist nur ein Beispiel dafür, dass auch Menschen mit Handicap die nötigen Voraussetzungen für einen richtigen Job erlernen können. Unterstützung dabei bietet die Berufsvorbereitung Inklusive (BvI). Erhard Augustin leitet das Projekt des Vereins "Miteinander Leben Lernen": "Unser Ziel ist es, dass Menschen mit Behinderung die Möglichkeit haben, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Arbeitsstelle zu finden". Dabei verzeichnet der Verein eine Erfolgsquote von 80 Prozent. Die BvI, die in Kooperation mit den Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) arbeitet, hilft Menschen mit Unterstützungsbedarf nicht nur bei der Berufsvorbereitung, sondern auch bei der Berufsorientierung. Dabei gilt es, gemeinsam herauszufinden, wo die Interessen und Stärken liegen und in begleiteten Praktika Einblicke in verschiedene Berufsfelder zu erhalten. In der Berufsvorbereitung werden die sozialen sowie die persönlichen Fähigkeiten trainiert, beispielsweise Teamfähigkeit, der Umgang mit dem PC, Mobilitäts- und Bewerbungstraining. Im nächsten Schritt geht es darum, sogenannte "Nischenarbeitsplätze" zu finden. Hierbei suchen Mitarbeiter der BvI in Betrieben passende Arbeitsbereiche für die jeweiligen Teilnehmer . Sind die gefunden, beschreiben sie das Aufgabengebiet und vermitteln einen Arbeitsplatz. Es handelt sich um Arbeitsbereiche, die an sich keinen eigenen Arbeitsplatz hergeben und im Regelfall von den Angestellten des Betriebes miterledigt werden. Für Menschen mit Handicap bedeutet ein solcher Arbeitsplatz aber, dass sie direkt in die Gesellschaft integriert sind. Sie haben dann einen Job in einem "normalen" Betrieb, bei dem ihre individuellen Talente gezielt gefördert und ihre Interessen berücksichtigt werden - Kriterien, nach denen sich schließlich auch die Berufswahl eines jeden anderen richtet. Dabei ist es auch wichtig, dass der jeweilige Betrieb bereit ist, auf den Teilnehmer einzugehen. Anne Simon hat bereits Praktika im Wildpark und im Seniorenheim absolviert. Am wohlsten fühlt sie sich aber im Kindergarten. Besonders viel Spaß macht es Anne, mit den Kindern im Sandkasten zu spielen. Die Kinder teilen diese Vorliebe. "Später will ich weiterhin mit Kindern arbeiten", sagt Anne. Elvira Müller ahnt, warum die Chemie zwischen Anne und den Kindern passen könnte: "Sie nehmen Anne so an, wie sie ist".

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