Historisches Museum Saar Saarländischer Häuslebauer in Bolivien

Saarbrücken · Bergmann Clemens Maurer brachte die hiesige Bergarbeiter-Wohnkultur als Kardinal zu den Indios.

 Indio-Kinder vor einem Haus, das die Kardinal-Maurer-Gesellschaft in Bolivien gebaut hat.

Indio-Kinder vor einem Haus, das die Kardinal-Maurer-Gesellschaft in Bolivien gebaut hat.

Foto: Kardinal-Maurer-Gesellschaft Püttlingen /Historisches Museum Saar

Als Sohn eines  Bergmanns, der im Püttlinger Viktoriaschacht einfuhr, kannte Joseph Clemens Maurer (1900-1990) die Schattenseiten der preußischen Grubenverwaltung.  Als sich sein Vater für die katholische Zentrums-Partei engagierte, versetzte man ihn nach Luisenthal, in einen schlechter bezahlten Über-Tage-Job. Doch wirkliche Verelendung lernte Maurers Familie nicht kennen, denn sie wohnte in einem eigenen kleinen Haus mit Scheune und Garten. Man zählte zu den Nebenerwerbsbauern, die sich teilweise selbst versorgten. Das Maurersche Haus in Püttlingen war durch ein Darlehen der Knappschaftskasse und durch Zuschüsse des Bergfiskus finanziert worden. Es war Teil des Prämienhaussystems, das Bergamtsdirektor Leopold Sello (1816-1857) eingeführt hatte, um einer  politischen Radikalisierung  der Arbeiterschaft vorzubeugen und Abwanderung zu verhindern. 1893 wohnten ein Drittel aller Saar-Bergleute in einem eigenen Haus – ein deutschlandweiter Rekord.  Es war dies eine saarländische Sozialsystem-Besonderheit – und Maurer musste sie nicht neu erfinden, als er später mit der Not der bolivianischen Indios konfrontiert wurde.

Die Indios arbeiteten in Bolivien als Zwangsarbeiter in den Plantagen und Silberminen der Nachkommen der spanischen Eroberer, bezahlten für Schutz und Nahrung mit ihrer Arbeit. Maurer teilte mit ihnen ihre Hütten samt Ungeziefer, reiste mit dem Maulesel  durch ein Land, das dreimal so groß war wie die Bundesrepublik und nur drei Millionen Einwohner hatte. Maurer hatte im Saarland gelernt, dass nicht materielle Armut allein Familien belastet und entwurzelt. Er wusste: Ein solides eigenes Dach über dem Kopf vermittelt insbesondere Kindern Sicherheit, denn es steht für Schutz und familiäre Kontinuität. Vor allem erzieht Besitz auch dazu, ihn Wert zu schätzen und zu pflegen. Vor allem, wenn Eigenleistung und eigenes Geld investiert werden.

Im Alter von 26 Jahren kam Maurer als Pater des Redemptoristenordens erstmals in den Andenstaat, stieg in der kirchlichen Hierarchie auf, wurde 1950 Weihbischof von La Paz, 1951 Erzbischof von Sucre und 1967 Kardinal, der an zwei Papstwahlen teilnehmen durfte.

1971 gründete er das heute noch bestehende Siedlungswerk „Fundacíon Cardenal Maurer“, doch schon zuvor hatte Maurer sich für den Bau von Wohnungen für kinderreiche Familien eingesetzt. Das erstaunt nicht, denn bei einem Kirchenmann lassen sich Herz und Hilfe für die Ärmsten als eine Art Amtsverpflichtung deuten. Überraschen kann allenfalls, wie Maurer seine Siedlungs-Ideen umsetzte – nämlich nach dem saarländischen Raummuster, das er kannte. In den Bergmanns-Prämienhäusern gab es neben der Küche drei kleine Räume und unter dem Dach Ausbaumöglichkeiten für zwei Schlafkammern. Oft wurde ein Stall angebaut oder der Keller zum Stall umfunktioniert.

 Kardinal Maurer in Bolivien.

Kardinal Maurer in Bolivien.

Foto: Stadtarchiv Püttlingen /Historisches Museum Saar

Dieses „Bauernhaus“-Modell ließ sich in Bolivien jedoch nicht eins zu eins kopieren, denn die Häuser entstanden an Stadträndern. Doch die Grundfläche ist mit 65 Quadratmetern mit der des saarländischen Vorläufers identisch. Die ersten Prämienhäuser entstanden in einer Größe von 32 oder 66 Quadratmetern. Und auch in Bolivien hält man sich an die  Drei-Zimmer-Küche-Aufteilung, baut allerdings ein Bad hinzu. 7000 Euro kosten die Häuser, verschenkt werden sie nicht, die Eigentümer müssen ein Darlehen zurückzahlen, ganz wie es früher die Bergleute im Saarland tun mussten. 1400 Häuser wurden durch das Kardinal-Maurer-Siedlungswerk bis dato gebaut. Sie sind ein saarländisches Vermächtnis in einem fernen Land.

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