Saarländer entdecken Gelben Sack

Saarbrücken. Der Jubel von Heribert Gisch, Geschäftsführer des Entsorgungsverbands Saar über den Rückgang der Restmüllmenge in den grauen Tonnen um bis zu 30 Prozent durch die Einführung des neuen Leerungssystems ist kaum verklungen, da wird an anderer Stelle gestöhnt. "Die Leute werfen sogar volle Windeln in die Gelben Säcke

 Denis Saltzmann entlädt Gelbe Säcke. Foto: Becker&Bredel

Denis Saltzmann entlädt Gelbe Säcke. Foto: Becker&Bredel

Saarbrücken. Der Jubel von Heribert Gisch, Geschäftsführer des Entsorgungsverbands Saar über den Rückgang der Restmüllmenge in den grauen Tonnen um bis zu 30 Prozent durch die Einführung des neuen Leerungssystems ist kaum verklungen, da wird an anderer Stelle gestöhnt. "Die Leute werfen sogar volle Windeln in die Gelben Säcke. Das ist gräßlich für unsere Mitarbeiter", sagt Richard Rosinus von der Friedrichsthaler Entsorgungsfirma Paulus, die in Regionalverband und Stadt Saarbrücken, in den Kreisen Neunkirchen, Saarlouis und Saarpfalz die Gelben Säcke im Auftrag der Betreiber des Dualen Systems einsammelt. Denn nach der Umstellung auf Wiegen der Mülltonnen oder Summieren der jährlichen Abfuhrtermine haben offenbar viele Saarländer den Gelben Sack entdeckt. "Seit der Umstellung des Gebührensystems im Saarland hat sich die Einsammelmenge bei uns um 20 bis 30 Prozent erhöht", berichtet Rosinus. Das beziehe sich nicht nur auf Gelbe Säcke, sondern auch auf die Nutzung von Glascontainern, die nun häufiger geleert werden müssten. Zudem gebe es eine große Nachfrage nach blauen Tonnen für Altpapier, die den Bürgern kostenlos vor die Haustür gestellt werden.Doch die neue Sortierlaune bei den Saarländern, die lange Jahre bundesweit Schlusslicht bei der Teilnahme am Dualen System waren, ist offenbar nicht immer zielgerichtet. So berichtet Rosinus, dass auch Plastikschüsseln, "fein säuberlich klein geschnitten", im Gelben Sack, der einzig und allein für Verpackungsmüll bereit steht, landen. "Das ist zwar Plastik, aber keine Verpackung, deshalb dürfen wir das nicht mitnehmen", betont Rosinus. So kommt es immer wieder vor, dass die Paulus-Leute an den Gelben Säcken, die zur Abholung an den Straßen stehen, rote Zettel befestigen mit der Aufschrift "Achtung! Leider konnte ihr gelber Wertstoffsack nicht entsorgt werden, weil Fremdstoffe darin enthalten waren." Das sorgt dann wiederum für Ärger bei den Bürgern, die von der Arbeit heimkommen und ihre Gelben Säcke unabgeholt vorfinden.

Der Sprecher des Dualen System Deutschland in Köln Norbert Völl untermauert die Zahlen von Paulus. So seien in der Stadt Saarbrücken im ersten Halbjahr 2011 mit 2141 Tonnen um 23 Prozent mehr Wertstoffe in den Gelben Säcken gelandet gegenüber dem Vergleichshalbjahr 2010 (1735 Tonnen). Im Landkreis St. Wendel habe es mit 1653 Tonnen zu 1414 Tonnen eine Steigerung um 17 Prozent gegeben, im Landkreis Saarlouis mit 3460 Tonnen zu 2935 Tonnen sogar um 24 Prozent. Völl führt dies auf die geänderte Gebührenordnung zurück. Er wies darauf hin, dass der Inhalt der Gelben Säcke aus dem Saarland zum größeren Teil zur Sortieranlage der ART GmbH in Trier gebracht werde. Dort würden die Stoffe in etwa 15 verschiedene "Fraktionen" wie Weißblech, Aluminium, PET, Polypropylen oder Polyethylen mittels automatischer Vorgänge getrennt. Für Milch- oder Saft-Getränkekartons gebe es nur zwei Weiterverwerter, einen in Nordrhein-Westfalen, einen in Bayern. Das heißt: Die Wertstoffe treten oft weite Reisen an, manches zu Granulat geschreddertes Plastik wird in China zu Spielzeug verarbeitet.

Ein Sprecher der ART-Sortieranlage in Trier bestätigte, dass mit dem gestiegenen Mengen aus den Gelben Säcken parallel auch die darin enthaltenen "Fehleinwürfe" gestiegen seien. "Matsch, Sand, Kehrricht, PVC-Kabel und anderes", so der ART-Sprecher. 25 Prozent macht demnach der Anteil von Stoffen aus, die die ART nicht zur Weitervermarktung weiterreicht. Denn diese 25 Prozent kosten der ART Geld. "Wir geben diesen relativ trockenen Restmüll an Ersatzbrennstoffhändler und zahlen dafür. Das ist eben unser Geschäftsrisiko", so der Sprecher. Diese Händler transportieren demnach die Reststoffe aus den Gelben Säcken zu Kraft- oder Zementwerken, wo sie in Rauch aufgehen.

Der ART-Sprecher blickt bereits in die Zukunft. Auch für so genannte "stoffliche Nichtverpackungen", wie Plastikwannen oder -spielzeug, sollen Hersteller künftig Gebühren an das Duale System bezahlen. Darüber werde im Vermittlungsausschuss von Bundestag und -rat beraten. "Wir verwerten die Plastikmaterialien, die keine Verpackungen sind, aber bereits heute", erklärte der Sortier-Experte. Denn die sind schließlich bares Geld wert.

Meinung

Fluch und Segen des Mülltrennens

Von SZ-RedakteurDietmar Klostermann

Es gibt wenige Themen, die den Bürger derart auf die Palme bringen wie die Behandlung des von ihm produzierten Abfalls. Jede Änderung im System wird begleitet von emotionalen Debatten, es schwappen Klagewellen an die Pforten der Verwaltungsgerichte. Dennoch hat die große Mehrheit verstanden, dass die Wegwerfgesellschaft passé ist und Wiederverwertung das Gebot der Stunde, um unsere Lebensgrundlagen zu schonen. So ist die vollzogene Umstellung bei der Hausmüllabfuhr im Saarland, trotz aller noch zu behebenden Kinderkrankheiten, ein Erfolg, wenn man die Zunahme der eingesammelten Wertstoffe zum Maßstab nimmt. Dass diese zigtausenden Tonnen Wertstoffe jedoch über tausende Kilometer hin- und hergekarrt werden, bei entsprechender Umweltbelastung, ist schwer zu verdauen. Der Joghurtbecher, der als Plastikpistole aus China zurückkommt, kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Hintergrund

Fragen zum Gelben Sack: Dürfen Verpackungen ohne den Grünen Punkt hinein? Ja, das Duale System holt sich die Gebühren beim Handel. Müssen Joghurtbecher gespült sein? Nein, sie müssen "löffelrein" sein. Gehören Plastikblumentöpfchen hinein? Ja, wenn sie Verpackung sind. Können Verpackungen von Waren aus dem Ausland hinein? Ja. (Antworten von Norbert Völl, Duales System). Infos bei Paulus GmbH (0 68 97) 85 60 00. dik

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort