Gefängnis statt Bußgeld Saar-Polizei sieht keine Autorennen-Szene

Saarbrücken · Die Gesetzeslage bei illegalen Autorennen hat sich Mitte Oktober verschärft. Statt Bußgeldern droht den Rasern jetzt Gefängnis.

 Wer rast, bringt sich und andere in Lebensgefahr. Das zeigte 2016 zum Beispiel ein Unfall in Hagen (unser Foto), nach dem ein sechsjähriger Junge monatelang auf einer Intensivstation mit dem Tode rang.

Wer rast, bringt sich und andere in Lebensgefahr. Das zeigte 2016 zum Beispiel ein Unfall in Hagen (unser Foto), nach dem ein sechsjähriger Junge monatelang auf einer Intensivstation mit dem Tode rang.

Foto: dpa/Alex Talash

An der roten Ampel abends in der Dudweiler Straße in Saarbrücken-Zentrum röhrt es. Ein VW Golf und ein Dreier-BMW stehen nebeneinander. Die jungen Fahrer blicken einander an. Die Ampel springt auf Grün, die Gaspedale werden durchgetreten. Und schon fliegen die schwarzen Autos, unter deren Motorhauben 300-PS-Aggregate wummern, mit Tempo 100 Richtung Wilhelm-Heinrich-Brücke. „Ja, das beobachten wir genauestens“, sagt Ralf Geisert, im Landespolizeipräsidium zuständig für Verkehrsthemen. Bei den Fahrern, die in Saarbrücken auch auf der Mainzer Straße oder in Homburg oder Merzig auf den Ausfallstraßen zur Autobahn die Kräfte ihrer ge­tunten Automobile messen, handele es sich zumeist um junge Männer. „Die gucken zuerst im Internet Fast-and-Furious-Filme mit Vin Diesel. Und dann verwechseln sie Fiktion mit der Realität“, sagt Geisert. Diese jungen Fahrer würden abends ziellos durch die Städte fahren, immer auf der Suche nach einem gleichgesinnten Kontrahenten. „Die Leute kennen sich gar nicht. Die bleiben dann sogar an einer grünen Ampel stehen, nur um zu warten, ob nicht jemand kommt, der es mit ihnen aufnehmen will“, erklärt Geisert. Wenn dann die Gleichgesinnten da sind, gehe es mit hohem Tempo los bis zur nächsten roten Ampel. „Auch Franzosen sind mit dabei. Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit den Polizeikollegen aus Frankreich, um die Fahrer belangen zu können“, betont Geisert.

Die Polizei in der benachbarten Westpfalz hat zu Jahresanfang ein „Expertenteam Tuning“ aufgestellt, um die Raser mit ihren aufgemotzten Schlitten zu erwischen. Wie der Leiter der Einheit, René Schärer, kürzlich gegenüber den Medien mitteilte, seien zwar längst nicht alle Auto-Tuner automatisch Raser. Doch es gebe einen geringen Prozentsatz, der insbesondere die leistungsgesteigerten Umbauten auf der Straße austesten möchte. Das westpfälzische Polizei-Team Tuning beanstandete nach eigenen Angaben allein zwischen März und Oktober mehrere hundert illegal veränderte Autos.

„Hier im Saarland gibt es keine illegale Tuning- oder Autorennen-Szene“, sagt dagegen der Saar-Polizei-Experte Geisert. Im Oktober habe es drei Anzeigen wegen Autorennen im Großraum Sulzbachtal gegeben. Drei Autos seien danach überprüft worden. Es seien erhebliche technische Mängel und sicherheitsgefährdende Umbaumaßnahmen festgestellt worden. Im Gegensatz zur Westpfalz, wo vor wenigen Tagen ein „Renn-BMW“ beschlagnahmt worden war, hat es im Saarland noch keine Auto-Konfiszierung gegeben. Im August seien ganze acht Beschwerden im Saarland wegen getunter Autos, zu lauter Auspuffgeräusche oder mutmaßlicher illegaler Autorennen eingegangen, im Septemder waren es laut Geisert zwei in Wadgassen und Püttlingen.

Seit dem 19. Oktober hat sich die Gesetzeslage bei illegalen Autorennen verschärft. „Das ist jetzt ein Verbrechenstatbestand“, sagt Geisert. Da ist eine Gefängnisstrafe obligatorisch, wo es bisher nur Bußgelder bis 450 Euro gab. Geisert erinnerte an den schrecklichen Unfall am 7. August 2016, als der 23-jährige Fahrer eines auf 250 PS getunten Opel Zafira auf der kurvenreichen Landstraße zwischen Überherrn und Berus in eine Menschengruppe raste, ein 14-jähriges Mädchen bei dem Unfall starb und ein 16-jähriger Junge schwer verletzt wurde. Das Amtsgericht Saarlouis verurteilte den Fahrer zu drei Jahren Gefängnis ohne Bewährung – zur Abschreckung wegen rücksichtslosen Verhaltens. Doch der Fall sei noch nicht beendet, sagt Geisert. Das Landgericht müsse sich noch mit der Berufung des Fahrers beschäftigen.

Geisert betont, dass die Saar-Polizei keines Teams „Tuning“ bedürfe. „Hier kümmert sich jeder Polizist um diese Fälle und nicht nur eine Gruppe von acht bis zehn Beamten“, so Geisert. Er sei froh über jeden Fahrer, der sein getuntes Auto auf den Anhänger lade, zum Nürburg­ring fahre und dort teste. „Irgendwo wollen sich die Leute austoben“, sagt der Polizist. Er sei selbst Einsatzleiter bei der Deutschland-Rallye im Nordsaarland gewesen. Man solle diejenigen, die schnelle Autos schätzten und sich an die Gesetze hielten, nicht verteufeln, erklärt Geisert.

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