Tag der Schuhreparatur in Saarbrücken In geflickten Schuhen die Welt verändern

Saarbrücken · Am Tag der Reparatur haben gestern Nachhaltigkeitsgruppen in Saarbrücken für den bewussten Schuheinkauf geworben.

„Zeigt her Eure Füße, zeigt her Eure Schuh, und sehet den fleißigen Waschfrauen zu!“: Der Kinderlieder-Ohrwurm hätte gestern gut gepasst zum Tag der Reparatur und des nachhaltigen Designs, den der Saarbrücker Verein „Weltveränderer“ zusammen mit der Hochschule für Bildende Künste (HBK) Saar ausgerufen hatte. Denn den Aktivisten ging es um einen bewussteren Umgang mit dem Schuhwerk. Und auch um die Besinnung auf das Handwerk, das dazu beiträgt, ramponierte Schuhe zu reparieren. Sind doch in den vergangenen Jahren viele Schuster von der Bildfläche verschwunden.

In der ersten Etage des HBK-Foyers an der Keplerstraße können sich Schuhfreunde an sechs Stellwänden in der Ausstellung „Change your shoes! Wechsel Deine Schuhe!“ des Berliner Vereins Inkota-Netzwerk über die prekären Arbeitsbedingungen der Schuhfabrik-Arbeiter in Indien oder China informieren. Vor allem beim Gerben der Tierhäute werden viele hochgiftige Chemikalien wie Chrom VI verwendet. Und die Arbeiter sind schutzlos diesen Giften ausgeliefert. Dazu werden die Gifte aus den Fabriken ohne Klärung in Bäche und Flüsse geleitet. Danach kommt dieses verseuchte Wasser auf Äcker und Felder. Es sind verbrecherische Produktionsbedingungen, die in der Ausstellung in der HBK sichtbar werden. Hinzu kommen Hungerlöhne, lange Arbeitszeiten und ein Leben in grausamer Armut.

Diesen Schuh würden sich die wenigsten Schuhkäufer in den deutschen Einkaufsmeilen anziehen, wenn sie über die Hintergründe Bescheid wüssten. Deshalb machten sich Ursela Barteczko (Weltverändererverein Saarbrücken), Peter Weichert (Fairtrade-Initiative Saarbrücken/Saarland) und Thomas Abel (Cargovelo Saarbrücken) ins Willi-Graf-Pflegeheim an der Großherzog-Friedrich-Straße auf, um einem Dutzend über 70-jährigen Senioren zur besten Kaffeeklatschzeit den Gedanken der Nachhaltigkeit beim Einkauf näherzubringen.

Ein Senior mit lichtem Haupthaar, aber hüftlangen, schlohweißen Kranzlocken im AC/DC-T-Shirt rief den Referenten zur Einstimmung entgegen: „Ich hätte gerne Louis-Vuitton-Schuhe!“ Ein Steilpass für Weichert, der die Runde fragte, nach welchen Kriterien sie ihre Schuhe auswählen. „Kaufen Sie eine bestimmte Marke? Ist der Preis für Sie entscheidend?“, so Weichert. Eine ältere Dame erwiderte: „Wichtig für mich ist, dass mir die Schuhe Halt geben, dass sie stabil sind und nicht über 100 Euro kosten.“

Weichert stieg dann tiefer in die Thematik des „Tags der Reparatur“ ein. „Hat jemand einen Schuster in der Familie?“, fragte der Diplom-Betriebswirt. Da meldete sich ein Senior im Rollstuhl. „Ja, mein Vater hat vor 50, 60 Jahren noch Schuhe gemacht“, so der Heimbewohner. Aber woher sein Vater seine Werkstoffe bezog, wusste er nicht mehr.

Daraufhin erklärte Weichert, dass 80 Prozent aller Schuhe und Schuhbestandteile in Deutschland aus Asien stammen. Er erklärte den Heimbewohnern, wie die Arbeitsverhältnisse für die Beschäftigten dort sind. Und Weichert machte wenig Hoffnung, dass sich an dieser Produktionsweise schnell etwas ändert. „Es ist sehr, sehr schwierig, Schuhe aus nachhaltiger Herstellung bei uns zu kaufen“, sagte Weichert. Er habe in einem Laden in Italien Schuhe gefunden, die in einem Flüchtlingslager in Palästina zu fairen und nachhaltigen Bedingungen gemacht worden seien. Ein seltener Fund.

Auf der Leinwand sahen die Senioren dann einen zehnminütigen ARD-Plusminus-Beitrag über eine Schuhfabrik in Indien, in dem die auf den Stellwänden in der HBK-Ausstellung beschriebenen menschenverachtenden Arbeitsbedingungen auch in bewegten Bildern zu sehen waren.

Lastenrad-Verkäufer Thomas Abel war es vorbehalten, Hoffnung zu verbreiten. Abel, der an der Saarbrücker Talstraße vor allem Lastenräder mit Elektromotor aus Holland oder Dänemark vertreibt und repariert, berichtete von seinen Käufern, die aufs Auto verzichten wollen und darum die Anschaffung eines Elektro-Lastenrades für 3000 Euro nicht scheuen. „Es geht mir darum, die Räder möglichst lange am Leben zu erhalten“, sagte Abel. Wenn diese Sichtweise auch die Schuhkäufer beherzigen und Schuhe öfter reparieren lassen würden, statt sie beim ersten Riss oder Loch gleich in den Altschuh-Container zu werfen, hätten Schuster und Schuhmacher wieder eine rosigere Zukunft.

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